BGH: direkte Rückforderung einer Überzahlung durch das Jobcenter

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Wenn die Miete nicht vom Mieter, sondern vom Amt kommt, dann ist das trotzdem eine Zahlung auf das Mietverhältnis. Interessant ist es freilich, wenn das Mietverhältnis beendet ist. Dazu gab es heute eine interessante Entscheidung des BGH (VIII ZR 39/17). Das Urteil als solches liegt noch nicht vor, wohl aber eine Pressemitteilung.

Danach ging es um die Frage, ob einem Jobcenter, welches im Rahmen von Sozialleistungen Mietzahlungen versehentlich auch noch nach der Beendigung des Mietverhältnisses unmittelbar an den bisherigen Vermieter überweist, ein Rückforderungsanspruch unmittelbar gegen den Vermieter zusteht oder ob ein solcher Anspruch gegen den Mieter als Empfänger der Sozialleistung zu richten ist.

Sachverhalt und Prozessverlauf:

Die Beklagten waren Vermieter eines Einfamilienhauses. Ihre Mieter bezogen Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem SGB II von dem für sie zuständigen Jobcenter, wobei die Mietzahlungen auf Antrag der Mieter direkt durch das Jobcenter an die Vermieter überwiesen wurden. Das Mietverhältnis endete zum 31. Juli 2014.

Eine Woche vor Vertragsende, am 24. Juli, reichten die Mieter beim Jobcenter einen Mietvertrag über ihre neue Wohnung ein. Dennoch überwies das Jobcenter am nächsten Tag versehentlich noch die Miete für August 2014 (860 €) an die bisherigen Vermieter. Die weigerten sich anschließend, das zurückzuzahlen mit dem Argument, daß die Mieter ihnen noch andere Beträge schulden.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

Der 8. Senat des BGH, der für Wohnraummietrecht zuständig ist, entschied, dass ein Jobcenter, welches im Rahmen von Sozialleistungen Mietzahlungen unmittelbar an einen Vermieter überweist, im Fall versehentlich über das Ende des Mietverhältnisses hinaus gezahlter Mieten einen diesbezüglichen Rückforderungsanspruch unmittelbar gegenüber dem Vermieter geltend machen kann, wenn letzterer bereits bei Erhalt der Zahlung wusste, dass ihm dieser Betrag wegen der Beendigung des Mietvertrags nicht zusteht.

Zwar haben die Vermieter die hier streitgegenständliche Zahlung von 860 € nicht durch eine Leistung des klagenden Jobcenters, sondern vielmehr durch eine Leistung ihrer (ehemaligen) Mieter enthalten, denen gegenüber das Jobcenter wiederum in seiner Eigenschaft als Sozialleistungsträger im Rahmen des bestehenden Bedarfs für Unterkunft und Heizung Sozialleistungen zu erbringen hatte. Insoweit ist die Direktzahlung der Miete lediglich eine Abkürzung des Zahlungswegs.

Dennoch steht dem Jobcenter ein direkter Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieter zu. Denn durch die Vorlage des neuen Mietvertrags beim Jobcenter hätten die Mieter die Auszahlungsanweisung widerrufen. Vor allem aber wussten die Vermieter aufgrund der Beendigung des Mietverhältnisses bereits bei Erhalt des Geldes, dass ihnen der für den Monat August 2014 überwiesene Betrag von 860 € nicht zustand und es damit an einer Leistung der Mieter als ihrem (ehemaligen) Vertragspartner fehlte. Der Zahlung fehlte also der Rechtsgrund, deshalb kann sie zurückverlangt werden.

Kommentar:

Die Pressemitteilung ist in meinen Augen dogmatisch unschlüssig (vielleicht löst sich das nach Vorlage des vollständigen Urteils auf). Wenn es sich nicht um eine Zahlung im Mietverhältnis handelte, sondern um eine „ohne Rechtsgrund“, dann wäre der 8. Senat des BGH für den Fall gar nicht zuständig gewesen. Denn dann handelt es sich nicht um Wohnraummietrecht.

Auch mag es sein, daß die Miete für August 2014 nicht mehr geschuldet war. Wenn es aber andere offene Rückstände gab, dann gibt es durchaus etwas, worauf zu Recht gezahlt werden konnte. Hier wird der Staat in einen Schutz genommen, den jeder andere Mieter nicht hat. Wenn nämlich nicht das Jobcenter gezahlt hätte, sondern der Mieter selbst, so wäre auch dies mangels Mietschuld im August 2014 nicht auf diesen Monat, wohl aber auf Rückstände verrechenbar gewesen, und zwar auch dann, wenn der Vermieter erkennen kann, daß der Mieter sich bei seiner Zahlung geirrt hat. Denn hier stehen sich die Vermieterforderung (Zahlung der Rückstände) und die Mieterforderung (Rückzahlung des irrtümlich überwiesenen Betrags) gegenüber, da kann man verrechnen. Wenn der BGH Jobcenterzahlungen davon ausklammert, verlässt er dieses Gegenseitigkeitsverhältnis, obwohl eben das die Grundlage der irrtümlichen Zahlung war.

Insbesondere halte ich es aber aus praktischen Gesichtspunkten für problematisch, diese wesentliche rechtliche Unterscheidung an einen internen Vorgang im Jobcenter anzuknüpfen. Der Vermieter kann nicht wissen, ob und wann die Mietzer beim Jobcenter waren und den neuen Vertrag vorlegten. Davon hängt nun aber ab, ob er die irrtümliche Zahlung verrechnen kann oder zurückzahlen muß. Verrechnet er, unterläßt er die Beitreibung dieses verrechneten Betrags. Stellt sich nach Verjährungsablauf heraus, daß er nicht verrechnen konnte, hat er Pech.

Damit ist das Urteil ein weiterer Grund, nicht an Personen zu vermieten, die vom Amt bezahlt werden. Aus sozialen Gesichtspunkten mag man das bedauern, aus rechtlichen Gründen ist man als Vermieter aber gut beraten, sie zumindest bei Neuvermietung aus dem Kreis der Bewerber herauszufiltern.

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