Mietrechtsänderungen 2019 (Teil 3 – Schadensersatz und Bußgeld bei „verdrängender Modernisierung“)

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Teil 1 – Verschärfung mietpreisbremsender Vorschriften

Teil 2 – neues kompliziertes „vereinfachtes Verfahren“ bei Kleinmodernisierungen

Teil 3 – Schadensersatz und Bußgeld bei „verdrängender Modernisierung“ (nachstehend)

Teil 4 – Übergangsregelungen und Fazit

Die in den Teilen 1 und 2 besprochenen Gesetzesänderungen befassten sich primär mit mietpreisbremsenden Elementen, und zwar bei Neuvermietungen einerseits und bei Modernisierungen andererseits. Die dritte Änderung adressiert hingegen ein anderes Ziel: die Vermeidung von Mieterverdrängungen durch Modernisierung oder deren Vortäuschen.

V. Schadensersatz und Bußgeld bei verdrängender Modernisierung

Zu diesem Zweck wurden zwei weitere neue Vorschriften eingeführt, § 559d BGB und § 6 WiStraG. Beginnen wir mit der ersten:

§ 559d BGB. Pflichtverletzungen bei Ankündigung oder Durchführung einer baulichen Veränderung

Es wird vermutet, dass der Vermieter seine Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt hat, wenn

1. mit der baulichen Veränderung nicht innerhalb von zwölf Monaten nach deren angekündigtem Beginn oder, wenn Angaben hierzu nicht erfolgt sind, nach Zugang der Ankündigung der baulichen Veränderung begonnen wird,
2. in der Ankündigung nach § 555c Absatz 1 ein Betrag für die zu erwartende Mieterhöhung angegeben wird, durch den die monatliche Miete mindestens verdoppelt würde,
3. die bauliche Veränderung in einer Weise durchgeführt wird, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen, oder
4. die Arbeiten nach Beginn der baulichen Veränderung mehr als zwölf Monate ruhen.

Diese Vermutung gilt nicht, wenn der Vermieter darlegt, dass für das Verhalten im Einzelfall ein nachvollziehbarer objektiver Grund vorliegt.

Die Vermutung einer Pflichtverletzung ist widerlegbar, aber die Beweislast liegt durch die gesetzliche Konstruktion beim Vermieter. Über § 280 BGB führt die Vermutung zum Schadensersatz. Im wesentlichen wird es hier um Aufwendungen gehen, die der Mieter im Vertrauen darauf getätigt hat, daß die angekündigte Modernisierung tatsächlich stattfindet. Die tatbestandliche Ausgestaltung in den vier genannten Katalogfällen knüpft an gravierende Umstände an, die im Rahmen der Ziffern 1, 2 und 4 nur dann gegeben sein dürften, wenn der Vermieter die Modernisierungsankündigung in der Absicht erklärt, den Mieter zu einem Auszug zu bewegen, nicht aber, tatsächlich die angekündigten Arbeiten durchzuführen. Ziffer 2 – die Ankündigung einer Mietverdoppelung – ist in diesem Kontext zu verstehen, meint also mehr die Drohung mit einer Mietverdoppelung als den Umstand der Mietverdoppelung an sich. Deshalb geht es hier auch ausschließlich um die Angabe in der Modernisierungsankündigung einer zu erwartenden Umlage, welche die Miete mindestens verdoppelt. Wenn es sachliche Gründe dafür gibt, etwa weil die momentane Miete seit den 70er Jahren nie angepasst wurde und deshalb extrem niedrig ist, oder weil die Mietsache in einem Zustand ist, der Investitionen in einer entsprechenden Größe erfordert, und die Durchführung dessen auch tatsächlich beabsichtigt ist, ist § 559d BGB nicht einschlägig. In diesen Fällen liegt keine Pflichtverletzung vor. Da die Modernisierungsumlage aber ohnehin auf 2 oder 3 Euro/qm innerhalb von 6 Jahren gedeckelt ist, ist eine Mietverdoppelung durch die Maßnahme ohnehin kaum denkbar.

Es ist jedenfalls auch weiterhin nicht verboten, umfassende Modernisierungen durchzuführen und dabei Umlagen zu bewirken, welche die Miete verdoppeln (wegen der 6-Jahres-Frist notfalls in mehreren Wirksamkeitsschritten). Es ist nur eben pflichtwidrig, so etwas anzukündigen, wenn es nicht stimmt oder keine sachlichen Gründe dafür gibt.

Die eigentliche spätere Mieterhöhung durch Umlageschreiben wird von der neuen Vorschrift nicht erwähnt. Es gibt also keine Vermutung einer Pflichtverletzung, die Modernisierungsumlage in einer Höhe vorzunehmen, welche die Miete mehr als verdoppelt.

Ziffer 3 dürfte zu einigem gerichtlichen Streit führen. Denn wann die Durchführung in einer Weise geschieht, die „geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen“, kann man ja durchaus kontrovers beurteilen. In einem Fall aus meiner Praxis wollte der Vermieter möglichst mieterschonend diverse Arbeiten innerhalb der Wohnung ausführen und sah zu diesem Zweck den Zwischenumzug in eine Umsetzwohnung vor. Er hätte diese angemietet, dem Mieter alle benötigten Möbel verpackt, rübertragen lassen und so weiter, und auch den Rückumzug hinterher organisiert. Die Beeinträchtigung des Mieters hätte darin bestanden, drei Monate woanders unbeeinträchtigt zu wohnen. Der Mieter war aber der Ansicht, es sei schonender, wenn er nicht vorübergehend aus seiner 5-Zimmer-Wohnung ausziehen muß, sondern zimmerweise gearbeitet wird. Das Amtsgericht bestätigte das später, so wurde es dann also gemacht. Daraufhin dauerten die Arbeiten nicht 3 Monate wie geplant, sondern zwei Jahre, während derer immer wieder kleinteilige terminliche und inhaltliche Abstimmungen zwischen verschiedenen Firmen und dem Mieter notwendig waren, Mobiliar von einem in die übrigen Zimmer umgeräumt wurde, neue Staubschutzwände gezogen wurden und der Mieter in den von ihm weiternutzbaren Räumen so vollgestellt war, daß man sich darin kaum umdrehen konnte. Wegen des erheblichen organisatorischen und zeitlichen Mehraufwands kostete das ganze schließlich auch noch die Hälfte mehr als geplant, so daß die Modernisierungsumlage am Ende auch höher war, als sie gewesen wäre, wenn man den Vermieter nach seiner eigenen Planung hätte machen lassen.

Hätte der Vermieter das ganze von vornherein ohne Zwischenumzug, nur mit wohnungsinternen Teilumzügen, angekündigt, würde man ihm nach der jetzigen neuen Rechtslage wohl vorhalten, daß er den Tatbestand zu o.g. Ziffer 3 erfüllt, denn die Art und Weise war in der Tat nicht wenig beeinträchtigend. Hätte er es hingegen so angekündigt wie in meinem Prozeßfall geschehen, würde man ihm das vielleicht auch vorwerfen können, denn in dieser Variante hat er ja einen Zwischenumzug eingeplant, der nach Ansicht des Mieters und des Gerichts nicht notwendig war. Wie man es auch macht, es ist wohl falsch. Und das ist nur ein Beispiel. Das Leben ist vielfältig und ich bin mir sicher, daß künftig in jedem Fall, in dem Mieter die Modernisierung verhindern oder verzögern wollen, auch über die Art und Weise der geplanten Durchführung und über § 559d Ziffer 3 BGB gestritten werden wird. Bis es belastbare Rechtsprechung dazu gibt, werden wir einige Jahre brauchen.

Ziffer 1 schließlich ist ein häufiger Fall. Er tritt immer dann auf, wenn für die Modernisierung Zugang zu den Wohnungen notwendig ist und einzelne Mieter diesen verwehren. Dann muß man sie auf Duldung verklagen und einen gerichtlichen Titel erwirken, bevor man arbeiten kann. Das dauert eine Weile. Wenn das Gericht meint, daß es vor seiner Entscheidung irgendwelche Sachverständigen etwas prüfen lassen muß, kann die Prozeßdauer am Amtsgericht durchaus 2 Jahre betragen. In solchen Fällen ist es häufig nicht sinnvoll, bei den anderen Mietern des Hauses mit den Arbeiten zu beginnen, bis durchsetzbare Urteile gegen alle sich wehrenden Parteien vorliegen. Ziffer 1 wird dazu führen, daß man sich darüber streiten wird, ob es ein „objektiv nachvollziehbarer Grund“ ist, die Arbeiten nicht sukzessive zu erledigen. Wenn beispielsweise eine Fassadendämmung mit Fensteraustausch geplant ist, könnte man bei den Mietern, die den Wohnungszugang erlauben, die Fenster gleich austauschen und bei den anderen eben dann, wenn sie verurteilt sind. Freilich muß man dann das Gerüst mehrmals aufstellen und abbauen, oder eben einige Jahre stehen lassen. Gerüstkosten können ganz erheblich sein, je nach Vorhabenumfang und Saisonzeit sind 5.000 Euro pro Woche nicht ungewöhnlich. Möchte man das 2 Jahre ungenutzt vorhalten? Oder möchte man mehrfach ein- und abrüsten? Die Fassadenanschlüsse kann man ohnehin erst erledigen, wenn alle Fenster gewechselt sind, also muß am Ende ohnehin alles eingerüstet sein. Das scheint mir objektiv nachvollziehbar. Ich bin mir dennoch sicher, daß es viele Argumente für die gegenteilige Auffassung geben wird. Hier – wie auch in allen anderen Fällen – sehe ich einiges Streitpotential.

Ergänzt wird § 559d BGB durch den neuen § 6 Wirtschaftstrafgesetz (WiStraG), der verdrängende Modernisierungen mit einer Geldbuße bis 100.000 Euro belegt. Er lautet:

§ 6 WiStraG. Durchführung einer baulichen Veränderung in missbräuchlicher Weise

(1) Ordnungswidrig handelt, wer in der Absicht, einen Mieter von Wohnraum hierdurch zur Kündigung oder zur Mitwirkung an der Aufhebung des Mietverhältnisses zu veranlassen, eine bauliche Veränderung in einer Weise durchführt oder durchführen lässt, die geeignet ist, zu erheblichen, objektiv nicht notwendigen Belastungen des Mieters zu führen.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu hunderttausend Euro geahndet werden.

Die Formulierung ist so, daß eine Ordnungswidrigkeit wohl immer vorliegt, wenn ein Fall des § 559d BGB vorliegt. Der Unterschied ist, daß § 559d BGB auf die Ankündigung abstellt und § 6 WiStraG auf die Durchführung. Jeder zivilrechtliche Streit darüber hat künftig also auch eine öffentlich-rechtliche Komponente. Da die 100.000 Euro pro Fall drohen – Absatz 1 der Vorschrift spricht von „einem“ Mieter – liegt das Geldbuße-Risiko in einem Haus mit 50 Parteien bei 5 Mio Euro.

Das wird vermutlich dazu führen, daß die Modernisierungslust der Vermieter deutlich sinkt. Wer mag schon Klimaschutz durch Dämmung oder bessere Fenster vorantreiben, wenn er dafür Geldbußen riskiert, die höher liegen als der Wert des Hauses? Da es erheblich voneinander abweichende Ansichten darüber geben kann, welche Art und Weise der Durchführung mehr oder weniger beeinträchtigend ist, kann man in vielen Fällen künftig wohl kaum mehr vernünftig planen, d.h. das Risiko entsprechender Vorwürfe und behördlicher Verfahren nicht ausschließen. Anders als im Zivilrecht gilt bei der Ermittlung von Ordnungswidrigkeiten der sog. Amtsermittlungsgrundsatz. Das bedeutet, daß die Behörde von sich aus die Umstände des Falles ermitteln muß. Der Mieter braucht nur eine Anzeige erstatten und kann dann abwarten, was am Ende rauskommt. Über Akteneinsicht kann er das im Zivilverfahren gegen seinen Vermieter verwenden. Die Behörde wird den Vermieter zu Stellungnahmen und Nachweisen auffordern und – wir kennen das über die Zweckentfremdungsverfahren – nicht unerheblichen bürokratischen Rechtfertigungsaufwand und Rechtsaufwand auslösen, dies vorliegend zu einem Zeitpunkt, zu dem ohnehin wegen des laufenden Bauvorhabens vermieterseits viel zu tun ist.

Das bedeutet, daß der Gesetzgeber den Mietern hier ein scharfes Schwert an die Hand gegeben hat, nämlich den Staat als Ermittlungsbehörde an ihrer Seite. Auch wenn sich entsprechende Vorwürfe in den seltensten Fällen bewahrheiten sollten, ist doch das Verfahren als solches mit dem ihm innewohnenden Aufwand als auch die Androhung der Geldbuße in ihrer Höhe geeignet, die intrinsische Motivation der Vermieter an wohnwertverbessernden Maßnahmen deutlich auszubremsen.

Das könnte Kapazitäten der Bauwirtschaft auf Neubauvorhaben umlenken. Ich frage mich nur, wer noch neu Mietwohnungen bauen will, wenn er anschließend mit einem solchen Mietrecht konfrontiert ist, wie wir es aktuell entwickeln?

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