Berliner Wohnungsmarkt: beendet

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ein interessantes Mittagessen

Ich aß heute mit dem Head of Transactions eines mittelständischen Immobilienunternehmens zu Mittag und wir unterhielten uns über die aktuellen Entwicklungen. Für mich war natürlich interessant, ob die Profis die Lage ebenso einschätzen wie ich. Das meiste Feedback erhalte ich sonst nämlich von den Eigentümern direkt oder aus den Verbänden.

Dabei erfuhr ich, daß aus Sicht der Entwickler und größeren Bestandshalter der Berliner Wohnungsmarkt beendet ist. Es gibt aktuell niemanden, der noch investieren will. Im Gegenteil denken viele darüber nach, aus dem Berliner Markt auszusteigen, solange es noch geht. Also zu verkaufen.

Die Frage ist: geht das überhaupt noch?

unmittelbare Auswirkungen der Mietendeckel-Diskussion

Nr. 1: Mit dem Beschluß zum Eckpunktepapier am 18.06.2019 war der Markt für Immobilientransaktionen beendet.

Denn es ist natürlich ein Problem, wenn alle verkaufen, aber niemand einkaufen will. An der Börse hätte das unmittelbar erhebliche Einbrüche zur Folge in einem Umfang, der die Preise so herabsetzt, daß sich doch wieder Käufer finden. Im Immobilienmarkt ist eine Transaktion aufwendiger, sie geht nicht in Sekunden: das Objekt muß bewertet, die Vertragslage (einschließlich Mietverträge) geprüft, das ganze finanziert und schließlich beurkundet werden. Die Abwicklung dauert ein paar Monate, je nach dem, ob das Objekt verkauft wurde oder die Gesellschaft, der es gehört, und wie komplex das alles ist.

Weil das alles etwas länger dauert, ist der Markteinbruch von außen nicht sofort sichtbar. Aber die dahinter stehende Mechanik ist die gleiche: wo keine Käufer, da keine Preise, da kein Markt.

Das wissen die Profis natürlich. Die strategisch richtige Antwort ist, die Barquote zu erhöhen und auf den Markteinbruch zu warten, um dann wieder günstig einzusteigen. Das bedeutet wiederum, daß jetzt nicht die richtige Zeit ist, noch Geld für Wohnungsbau oder Instandhaltungen oder Modernisierungen auszugeben. Man steht auf „Hold“ und beobachtet, im Zweifel steigt man aus und investiert woanders.

Nr. 2: Unkalkulierbarkeit – für Eigentümer ebenso wie für Banken

Eine sofortige Auswirkung des Beschlusses vom 18.06.2019 ist, daß Objekte nicht mehr kalkulierbar sind.

Ein Beispiel-Haus hat eine Durchschnittsmiete von 10 Euro, die sich aus einer Bandbreite von 5 bis 15 Euro errechnet. Das ergibt eine Jahresmiete pro qm von 120 Euro. Bei 5% Rendite = dem 20fachen Kaufpreis darf der qm 2.400 Euro kosten. Hat das Haus 1.000 qm, ergibt sich ein Marktwert von 2,4 Mio Euro.

Wegen der Mietendeckel-Diskussion muß man nun aber befürchten, daß der Senat eine aktuell noch nicht näher verlautbarte Verordnungsmiete als Höchstgrenze festsetzt. Wo die liegen soll, weiß keiner. Liegt sie bei 7 Euro, stehen alle Mieten darüber im Risiko, gekappt zu werden, während man die darunter nicht mehr anheben darf. Das senkt die Durchschnittsmiete des Hauses etwa auf 6 Euro pro qm, die Jahresmiete demzufolge auf 72 Euro und den 20fachen Kaufpreis auf 1,44 Mio Euro. Das ist rund 1 Mio weniger.

Es weiß aber keiner, ob der Mietendeckel kommt, ob dieser die Verordnungsmiete beinhalten wird und wie hoch diese am Ende ist. In der Folge sind die heutigen Eigentümer nicht bereit, ihr Haus für 1,44 Mio zu verkaufen, während die anderen nicht mehr bereit sind, 2,4 Mio dafür zu bezahlen.

Besonders spannend wird es für all diejenigen, die das Haus für eine Durchschnittsmiete oberhalb der künftigen Verordnungsmiete gekauft haben. Es kann sein, daß die Kredite dann nicht mehr bedient werden können. Es reicht auch schon, wenn der Beleihungswert des Hauses aufgrund der reduzierten Rendite sinkt und die Bank deshalb eine Nachbesicherung fordert. Kann der Eigentümer das nicht leisten, hat das recht zügig den Ruin zur Folge, was wiederum, wenn es in der Breite geschieht, auch für die Banken nicht ganz unproblematisch werden dürfte, nämlich bei einer Kreditausfallquote oberhalb der Eigenkapitalhinterlegung der jeweiligen Bank.

Insoweit gehe ich davon aus, daß auch die Beleihungskriterien alsbald enger werden mit der Folge, daß Finanzierungen für Objekttransaktionen rein wirtschaftlich nicht mehr möglich sind.

Traurig ist, daß teilweise gesamte Lebensentwürfe damit ruiniert werden. Hat jemand seine Altersvorsorge darauf aufgebaut, dieses Jahr die Immobilie zu verkaufen, die er sein Leben lang erarbeitet hat, dann hat er wohl Pech: entweder er findet keinen, der das Haus haben will, oder jedenfalls nicht zu dem Preis, der vor wenigen Wochen noch zu erwarten gewesen wäre, sondern nur mit Abschlag, der alle Risiken aus der Mietendeckeldiskussion und der politischen Marschrichtung einkalkuliert. Als Anwalt sitzen mir solche Eigentümer gegenüber und suchen Rat, wie sie sich verhalten sollen: Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet und Steuern gezahlt haben und nun in einem Alter sind, in dem man weder die Zeit noch die Kraft hat, von vorn anzufangen. Gefangen in einem eingefrorenen Markt, mit der Aussicht auf eine massive Kürzung der Einnahmen bei steigenden Kosten.

Die geplante „Härtefallregelung“ ist übrigens keine, da bei der IBB gar nicht die personellen Ressourcen vorhanden sind, die zu erwartende Zahl der Anträge in angemessener Zeit zu bearbeiten.

Nr. 3: Investitionsstop

Wegen der beabsichtigten Kappungen wurden von allen Eigentümern und Unternehmen, mit denen ich in den letzten 2 Wochen sprach, sämtliche Investitionen, die sich anhalten ließen, unmittelbar gestoppt. Warum sollte man in Instandhaltung oder Modernisierung investieren, wenn man die Kosten nur ausgeben, nicht aber auch wieder einnehmen darf? Bei den Berliner Handwerksbetrieben scheinen in den letzten 2 Wochen in erheblichem Umfang Auftragsstorno eingegangen zu sein.

Nun fragen sich sowohl die Architektenkammer als auch die IHK Berlin, was ihre Mitglieder tun sollen, wenn die aktuelle Auftragslage abgearbeitet ist. Einige Unternehmen werden außerhalb Berlins Aufträge annehmen, andere werden Mitarbeiter entlassen, einige werden die Tore schließen. Für den Arbeitsmarkt Berlins bahnt sich da nichts gutes an. Das gilt sogar dann, wenn es zu einem Mietendeckelgesetz doch nicht kommt. Denn die Planungen und Finanzierungen für Handwerkerleistungen im Jahr 2020 würden ja jetzt stattfinden. Tun sie aber nicht mehr. Also wird es in 2020 solche Aufträge nicht geben, egal ob und wie die Politik am Ende Gesetze erläßt oder nicht.

Parallel haben wir Hinweise erhalten, daß die Bezirksämter bei Handwerker-Angeboten die dahinter stehende Kalkulation offen gelegt haben wollen. Sind das Anzeichen für einen demnächstigen amtlichen Preisstop für Handwerkerleistungen?

Nr. 4: Streik

Tatsächlich ziehen trotz allem immer mal wieder Mieter aus. So auch in den letzten Wochen. Für den privaten Eigentümer stellt sich dann die Frage, ob und wie er neu vermieten soll. Das Mietendeckel-Eckpunktepapier sieht ja vor, daß Neuvermietungen nur zum bisherigen Preis erlaubt sein sollen. In der Presse wurde erklärt, das gelte alles dann rückwirkend ab 18.06.2019.

Wenn nun ein Mieter auszieht oder stirbt, der bislang 4 Euro pro qm zahlte, erklären mir die Eigentümer in der Regel, daß sie dafür nicht neu vermieten. Womöglich haben sie den Neumieter dann jahrzehntelang drin, können die Miete nicht oder nur sukzessive auf Normalhöhe anpassen, die Kosten laufen weiter. Ohnehin überlegen viele, ob sie nun aufteilen und abverkaufen. Liegt das Haus im Milieuschutz, kann das Bezirksamt die Aufteilung nur dann nicht verhindern, wenn man sich verpflichtet, 7 Jahre lang nur an die Mieter zu verkaufen. Da ist es gut, wenn Wohnungen leer stehen. Auf leere Wohnungen sind ohnehin bessere Verkaufspreise zu erzielen.

Diese Überlegungen führen aktuell vermehrt zu dem Ergebnis, daß die Eigentümer die Wohnung künftig selbst nutzen, etwa als Abstellraum oder als Gästewohnung für die Familie. Mit anderen Worten: die Wohnung steht leer und ist dem Markt entzogen. Sollte der Mietendeckel dann kommen, bleibt das auch so.

Vermieter, die es sich leisten können, treten also in Streik und werden auf längere Sicht in Eigentumswohnungen aufteilen und abverkaufen. Leerwohnungen werden von Selbstnutzern erworben. Das wiederum ist eine in meinen Augen positive Entwicklung. Der Mietwohnungsmarkt wird dadurch natürlich noch enger. Wer keine Wohnung hat, sondern eine sucht, wird noch weniger eine finden.

Nr. 5: Steuerausfälle

Sowohl die wegbrechenden Einkommensteuern auf Mieteinnahmen als auch die wegbrechenden Einkommensteuern der Handwerker und Dienstleister im Immobiliensektor werden bemerkbar sein. Auf der anderen Seite werden Transferzahlungen für arbeitslose Handwerker und in Armut gefallene Rentner, die sich mit ihrer Lebensleistung Immobilie „verspekuliert“ haben, die Ausgaben erhöhen. Na ja, über den Länderfinanzausgleich zahlen das ja die Bayern, nicht wir in Berlin.

Nr. 6: Vertrauensverlust in die Politik

Nicht kurzfristig korrigierbar ist m.E. Auswirkung Nr. 6, ein massiver Vertrauensverlust in die Politik. Bei Einführung der Mietpreisbremse 2015 hieß es, sie gelte nur einmalig für 5 Jahre und Neubau sei ausgenommen. Neubau wurde definiert als alles, was nach Oktober 2014 erstmals bezugsfertig war.

Nun soll die Mietpreisbremse verlängert werden: Vertrauensverlust Nummer 1.

Wer in den Jahren 2015 bis 2018 neu gebaut hat, sieht sich in Berlin zudem mit einem geplanten Mietendeckel konfrontiert, der künftigen Neubau ausnimmt, jetzigen aber nicht. Das wirft die Kalkulation aktueller Bauvorhaben über den Haufen und zerstört das Vertrauen in die Ausnahme von künftigen Neubauten aus dem Mietendeckel. Denn ein in 2019 neu gebautes Haus ist 2020 vielleicht schon nicht mehr neu, und bei einem Mietendeckel-Fortsetzungs-Gesetz in 2025 sind vielleicht alle Neubauten aus 2020 bis 2024 schon nicht mehr neu. Vertrauensverlust Nummer 2.

Allein daß die Diskussion ernsthaft geführt wird, hat etwaiges Vertrauen in die Politik nachhaltig zerstört, egal was künftig von dort aus versprochen werden sollte.

Fazit

Obwohl es noch nicht einmal einen Gesetzentwurf gibt, ist der Berliner Wohnungsmarkt bereits zerstört. Innerhalb weniger Tage hat sich das Investitionsklima um 180 Grad gedreht. Es ist fast egal, was die Politik am Ende als Gesetz beschließt, Wohnungen bauen wird hier demnächst wohl niemand mehr und das Vertrauen ist langfristig hinüber.

Investieren auf Wohnungsebene

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Nachtrag 12.07.2019:

Zitiert in der taz, das passiert mir nicht so oft: https://taz.de/Mietendeckel-in-Berlin/!5606028/

Seit Veröffentlichung wurde dieser Beitrag rund 18.500 mal hier im Blog gelesen. An alle Multiplikatoren meinen herzlichen Dank!