Ausgangslage
Wie gestern ausgeführt ist Berlin derzeit höchstwahrscheinlich ohne Mietspiegel. Das wirft die Frage auf, wie man formal wirksam eine Mieterhöhung begründet.
Das Recht, im laufenden Mietverhältnis die Miete der Marktentwicklung anzupassen, kompensiert, daß der Vermieter nicht einfach so kündigen kann. Einmal vermietet, erhält er die Wohnung nicht (ohne Vertragsverletzungen des Mieters oder Eigenbedarf) zurück. Damit sie nicht im Zeitablauf als Wirtschaftsgut entwertet und damit steigende Kosten für die Unterhaltung (z.B. Handwerker) dauerhaft bezahlt werden können, muß ihr Ertrag mit der allgemeinen Marktentwicklung mit wachsen können.
§ 558 BGB ermöglicht das mit folgenden Rahmenbedingungen:
- Eine Mieterhöhung kann frühestens 1 Jahr nach der letzten verlangt werden und frühestens 15 Monate nach der letzten wirksam werden.
- Die Miete darf sich um nicht mehr als 20% in 3 Jahren, in sog. „angespannten Wohnungsmärkten“ um nicht mehr als 15% in 3 Jahren erhöhen.
- Die Miete kann nur bis zur sog. „ortsüblichen Vergleichsmiete“ (oüVm) erhöht werden, d.h. niemals über das Durchschnittsniveau hinaus.
- Die Mieterhöhung kommt durch Vertrag zustande: der Vermieter muß sie verlangen und der Mieter muß dem zustimmen. Die Mieterzustimmung kann durch gerichtliches Urteil ersetzt werden, wenn der Vermieter einen Anspruch auf die Erhöhung hat.
Was die oüVm ist, ist nicht so einfach festzustellen. Damit der Mieter das Erhöhungsverlangen des Vermieters prüfen kann, muß es der Vermieter begründen. Tut er das nicht, ist es formal unwirksam und löst keinen Zustimmungsanspruch gegen den Mieter aus. Nur ein ausreichend begründetes Erhöhungsverlangen verpflichtet den Mieter zur Zustimmung.
Wie begründet man ein Erhöhungsverlangen?
Damit eindeutig ist, wann ein Erhöhungsverlangen formal ausreichend begründet ist, bestimmt § 558a BGB einen Katalog von vier möglichen Begründungsmitteln. Sie sind
- ein Mietspiegel
- eine Auskunft aus einer Mietdatenbank
- ein begründetes öbuv Sachverständigengutachten
- die Benennung von mindestens drei Vergleichswohnungen
Der qualifizierte Mietspiegel wird von § 558a Abs. 3 BGB als vorrangig behandelt: enthält er Angaben für die betreffende Wohnung, müssen diese auch dann im Erhöhungsverlangen mitgeteilt werden, wenn der Vermieter es anders begründet (etwa durch Vergleichswohnungen).
Eine Mietdatenbank gibt es in Berlin derzeit nicht, man kann sie auch nicht einfach so erstellen. Sie müßte gemäß § 558e BGB von der Gemeinde oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter gemeinsam geführt oder anerkannt worden sein, das ist in Berlin nicht in Reichweite.
Einen Mietspiegel gibt es nun auch nicht.
Damit bleiben das Gutachten und die Vergleichswohnungen.
Begründung mit Sachverständigengutachten?
Da wir in Berlin viele Jahre einen Mietspiegel hatten, wurden Gutachter nur in Ausnahmefällen benötigt. Das hat dazu geführt, daß es in Berlin kaum Mietgutachter gibt. Die wenigen, die wir kennen, nehmen schon seit Wochen „aus Kapazitätsgründen“ keine Aufträge mehr an. Meine Mandanten bekommen solche Absagen noch bevor man überhaupt über den Preis für das Gutachten gesprochen hat. Das deutet darauf hin, daß eine Begründung von Mieterhöhungen durch Gutachten auf absehbare Zeit kein für die Massenanwendung geeignetes Mittel sein wird, von den Kosten eines solchen Vorgehens einmal ganz abgesehen.
Begründung mit Vergleichswohnungen?
Es bleibt einzig und allein die Erhöhung durch Benennung von Vergleichsmietwohnungen. Vergleichbar sind Wohnungen, die nach Größe, Lage, Baujahr des Hauses und Ausstattung vergleichbar sind. Wie genau und wie ähnlich das sein muß, ist immer mal wieder Gegenstand von gerichtlichen Auseinandersetzungen – allerdings kaum in Berlin, denn wir hatten ja einen Mietspiegel. Ich erwarte, daß sich in nächster Zeit eine Berliner Rechtsprechung zu den Details entwickeln wird.
Das Problem vieler Vermieter ist neben der Einschätzung ihrer Vergleichbarkeit, woher sie die Daten der Vergleichswohnungen bekommen sollen. Große Vermietungsgesellschaften oder Eigentümer, die ihre Wohnungen durch professionelle Hausverwaltungen managen lassen, haben einen Vorteil: den eigenen Bestand als Datengrundlage. Sie wissen, welche Wohnungen wie ausgestattet sind, und sie kennen deren Zahlen. Allerdings hat eine Kammer des LG Berlin vor einigen Jahren mal entschieden, daß der Eigenbestand eines Vermieters bei der Auswahl der Vergleichswohnungen ausgeschlossen ist. Das Gesetz sieht eine solche Differenzierung nicht vor, aber wir können nicht ausschließen, daß sich die Gerichte hieran erinnern und wir demnächst weitere solche Urteile sehen werden.
Kleinere Eigentümer haben das Problem, daß sie keine drei vergleichbaren anderen Wohnungen kennen. Hier könnte man die Nachbareigentümer fragen. Als Mitglied in einem lokalen Haus & Grund-Verein kann man vielleicht nach Vereinsgenossen suchen und sich mit denen austauschen.
Aber ist der Datenaustausch überhaupt erlaubt? Die DSGVO verbietet die Weitergabe von personenbezogenen Daten, gemeldete Verstöße führen zu Kommunikation mit der Datenschutzbehörde und vielleicht zu Bußgeldern. Also müssen wir uns künftig darüber Gedanken machen, was personenbezogene Daten im Zusammenhang mit Vergleichswohnungen sind. Einerseits müssen die Vergleichswohnungen nämlich exakt benannt werden, damit ihre Existenz prüfbar ist: A-Straße Nr. 1, 3. OG rechts. Auch die Wohnungsdaten müssen angegeben werden: x qm, 3 Zimmer, Bad, Küche, Flur, Balkon, Keller, Baujahr, ggf. weitere Angaben zu Schnitt oder Kriterien ähnlich der Spanneneinordnung zum Mietspiegel. Schließlich muß der Vermieter die Miethöhe der Vergleichswohnung angeben, denn mit dieser begründet er ja das Erhöhungsverlangen. Das ist alles nicht personenbezogen, aber ein einfacher Blick auf das Klingelschild am Haus der Vergleichswohnung erlaubt die Identifikation des Mieters und das ist dann doch wieder personenbezogen: man weiß dann genau, wie viel der betreffende Mieter bezahlt und wie seine Wohnverhältnisse so sind. Für den Eigentümer, der mit diesen Daten ein Erhöhungsverlangen begründet, ist das datenschutzrechtlich vermutlich unproblematisch, denn er tut das nur zur Wahrnehmung von Rechten. Für den Eigentümer, der diese Daten weitergegeben hat, ist das anders: er verfolgt damit keine eigenen Rechte, sondern hilft einem anderen bei der Verfolgung von dessen Rechten. Sind die Eigentümer deswegen untereinander am Austausch gehindert? Das kann nicht sein, weil das gesetzliche Begründungsmittel damit leer liefe. Aber mit Streit mit den Datenschutzbehörden auf dieser Ebene wird man wohl rechnen müssen.
Zur Abgrenzung des Erlaubtem vom nicht Erlaubten haben wir in Berlin ebenfalls keine (mietgerichtliche) Rechtsprechung. Ich gehe davon aus, daß nicht nur ein Mieter auf die Idee kommt, die Datenschutzbehörde einzuschalten, wenn Mieterhöhung verlangt oder mit seiner Wohnung als Vergleichswohnung begründet wird. Mietaktivisten werden sich zusammentun und einigen Wirbel wegen der Datenverwendung verursachen.
sinnvolles Vorgehen
Wie geht man mit all dem nun um?
Zunächst bedenken Sie, daß die Mieterhöhung durch Vertragsänderung zustande kommt: der Vermieter verlangt sie und der Mieter stimmt zu, damit ist die Änderung vereinbart. Wenn das geschieht, d.h. wenn der Mieter zustimmt, ist egal, ob und wie das Erhöhungsverlangen begründet war. Auch einem nicht begründeten Erhöhungsverlangen kann zugestimmt werden und die Änderung wird dann wirksam.
Es ist deshalb nicht abwegig, sondern vielleicht sogar praktikabel, erst einmal auf den Berliner Mietspiegel 2021 zu verweisen und die Erhöhung damit zu „begründen“. Rechtlich gesehen ist das zwar formal unwirksam, weil der Mietspiegel trotz gegenteiligem Anschein wohl nicht existiert. Wenn der Mieter aber zustimmt, hat es seinen Zweck erfüllt. Die Befriedungsfunktion und die Vereinfachung, die Mietspiegel gewährleisten sollen, wären durch eine dieserart durchgeführte Erhöhung erfüllt.
Nur einklagen sollte man das nicht, wenn die Zustimmung ausbleibt, denn der Prozeßverlust ist absehbar. Statt dessen wäre ein erneutes Zustimmungsverlangen zu stellen, das wirksam begründet ist, also mit Vergleichswohnungen. Wegen der aktuell noch vorhandenen rechtlichen Restunsicherheit betreffend den Mietspiegel 2021 sollten seine Angaben im mit Vergleichswohnungen begründeten Erhöhungsverlangen dennoch genannt werden, sicherheitshalber (§ 558a Abs. 3 BGB).
Hier sind Eigentümer im Vorteil, die auf eigenen Datenbestand bzw. den ihrer Hausverwaltung zugreifen können. Ein neues Geschäftsfeld für Hausverwaltungen könnte sein, Einzeleigentümern, die grundsätzlich ihre Wohnungen selbst verwalten wollen, die isolierte Durchführung von Mieterhöhungen anzubieten. Das kann durchaus etwas kosten, wird aber billiger (und verfügbarer) bleiben als ein Mietgutachten. Gerade der Datenbestand großer Verwaltungen mit einer erheblichen Zahl von Verwaltungsobjekten gewinnt durch die aktuelle Situation einen Wert, der nicht zu unterschätzen ist – und die Verwaltung einen Wettbewerbsvorteil.
Kleinere Verwaltungen sind hier im Nachteil. Sie können für eigene Eigentümer auf andere Wohnungen im gleichen Haus zurückgreifen, aber für externe Eigentümer ist das nächste Objekt ihres Bestandes möglicherweise nicht im gleichen Stadtteil oder in einer ganz anderen Lage oder das Baujahr ist völlig anders, und schon wird es schwierig. Ob kleinere Verwaltungen für externe Eigentümer isolierte Mieterhöhungen durchführen können, hängt daher sehr vom Einzelfall ab.
Diese Situation privilegiert die Großen und fördert dadurch die Zentralisation der Bestände in weniger Händen als bisher. Sie setzt zugleich einen Anreiz, Objekte professioneller verwalten zu lassen als bisher. Das kann dazu führen, daß mögliche Erhöhungen in den möglichen Zeitfenstern öfter tatsächlich durchgeführt werden als bisher. Private Kleineigentümer legen sich die Akte nicht so routiniert auf eine 3jährige Wiedervorlage für die nächste Erhöhung wie die Softwareprogramme der professionellen Marktteilnehmer.
Vergleichsmietwohnungen im Prozeß
Wenn es dem Vermieter gelungen ist, ein Erhöhungsverlangen formal wirksam zu begründen, muß im Prozeß dennoch geprüft werden, ob es die oüVm überschreitet. Das kann das Gericht nicht mit den Vergleichswohnungen tun, sondern muß zwingend ein Sachverständigengutachten einholen (wenn der Mieter bestreitet, daß Erhöhung in diesem Umfang verlangt werden kann).
Durch den Engpass der Gutachterkapazitäten ist mit erheblichen Verfahrenslaufzeiten zu rechnen.
Staffeln
Keine Mieterhöhung „durchführen“ müssen all die Vermieter, deren Mieten sich von selbst anpassen, weil im Mietvertrag eine Staffel vereinbart wurde. Ihnen bleiben die Rechtsunsicherheit des Mietspiegels, der Streit um die formal richtige Begründung, um die Vergleichbarkeit von Vergleichswohnungen, um die Höhe der oüVm und die Gutachterkosten im Prozeß erspart.
Ich rechne deshalb damit, daß Vermieter bei Neuverträgen künftig häufiger als bisher eine Staffelmiete verlangen werden. Die Frage der richtigen Vertragsgestaltung vor dem Hintergrund der aktuellen Situation ist aber ein separates Thema, das ich in einem späteren Beitrag behandeln werde.
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