Corona-Gesetz: Zahlungseinstellung wegen Mietausfällen

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Inhalt der gesetzlichen Regelung

Der Bundestag hat am Mittwoch, 25. März 2020, einstimmig einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht angenommen (BT-Drucksache 19/18110). In dessen Artikel 5 § 2 (Seiten 13 unten und 14 oben) findet sich ein sog. Mietenmoratorium. Die Vorschrift lautet:

§ 2 Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen.

    1. Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.
    2. Von Absatz 1 kann nicht zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
    3. Die Absätze 1 und 2 sind auf Pachtverhältnisse entsprechend anzuwenden.
    4. Die Absätze 1 bis 3 sind nur bis zum 30. Juni 2022 anzuwenden.

Nach § 4 Absatz 1 Ziffer 2 kann das durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates auf Mieten bis 30.09.2020 verlängert werden, „wenn zu erwarten ist, dass das soziale Leben, die wirtschaftliche Tätigkeit einer Vielzahl von Unternehmen oder die Erwerbstätigkeit einer Vielzahl von Menschen durch die COVID-19-Pandemie weiterhin in erheblichem Maße beeinträchtigt bleibt.“ Absatz 2 ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und ohne Zustimmung des Bundesrates die in Absatz 1 genannten Fristen über den 30. September 2020 hinaus ohne zeitliche Begrenzung zu verlängern, wenn die Beeinträchtigungen auch danach fortbestehen.

unmittelbare Auswirkungen in der Praxis

C&A hat heute (27.03.2020) angekündigt, in den nächsten Monaten keine Miete zu zahlen und danach vertragliche Verbesserungen verhandeln zu wollen (hier). Adidas hat ebenfalls angekündigt, die Mietzahlungen einzustellen (hier). Hier wird berichtet, daß auch Deichmann und H&M keine Mieten mehr zahlen. Etliche weitere Firmen machen Minderung und/oder Corona-Timeout geltend, was wir als Anwälte natürlich relativ schnell wissen, weil unsere Eigentümermandanten unmittelbar rechtlichen Rat und Hilfe suchen.

Daß die Großen der Branche sofort ihre Mietzahlungen einstellen, dürfte bei vielen kleineren Geschäften etwaige Hemmungen beseitigen, die aktuelle umsatzlose Phase aus anderen Mitteln zu überbrücken. Wir rechnen damit, daß Gewerbetreibende nun flächendeckend ihre Zahlungen einstellen.

Darf man als Vermieter selbst nun Zahlungen einstellen?

Mit den Mieten fallen coronabedingt die Umsätze bei den Vermietern aus, was zu der Frage führt, welche Zahlungen diese nun einstellen dürfen. Das regelt Artikel 5 § 1 des Corona-Gesetzes:

§ 1 Moratorium

(1) Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.

(2) Ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,

1. das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
2. dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.

(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebs gefährden würde. Absatz 2 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Gewerbebetriebs führen würde. Wenn das Leistungsverweigerungsrecht nach Satz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht im Zusammenhang
1. mit Miet- und Pachtverträgen nach § 2, mit Darlehensverträgen sowie
2. mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen.

(5) Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden.

Das Gesetz differenziert also zwischen Verbrauchern und Kleinstunternehmen einerseits sowie allen anderen andererseits. Verbraucher und Kleinstunternehmen können bei wesentlichen Dauerschuldverhältnissen Zahlungen einstellen. Voraussetzung ist jeweils, daß coronabedingt Zahlungsschwierigkeiten auftreten, was vorliegend ja mit Verweis auf die Mietausfälle einfach zu belegen ist.

Unternehmen können – abgesehen von Miete – keine Zahlungen einstellen, wohl aber die Unternehmer als Privatpersonen (= Verbraucher).

Wie lange darf man die Zahlung einstellen?

Jetzt kommt die spannende Frage: wer zahlt zuerst?

Das Kündigungsmoratorium in § 2 gilt bis zum 30.06.2022, das Zahlungsmoratorium für alle anderen in § 1 hingegen nur bis 30.06.2020. C&A hat also 2 Jahre länger Zeit als der Vermieter, die Rückstände nachzuzahlen. Damit hat der Vermieter keine Chance, seinerseits rechtzeitig zu leisten. Der Empfänger der Vermieterzahlung, etwa ein kleines Hausreinigungsunternehmen, hat dann seinerseits keine Chance, seine eigenen Verpflichtungen rechtzeitig zu erfüllen. Diejenigen, die von den Gewerbemietzahlungen abhängig sind, dürfen gegeneinander prozessieren, während die Gewerbemieter selbst in Ruhe abwarten können. Zwar ist ihre Zahlungspflicht als solche nicht suspendiert. Mangels Druck einer Kündigungsmöglichkeit kann man das aber in Ruhe ausprozessieren oder einfach mal schauen, ob der Vermieter noch genug Geld zusammen bekommt, um sich einen solchen Prozeß leisten zu können.

Aus unserer Sicht steht fest: am 1.7.2020 wird es viele Dienstleister und Personen geben, die noch nicht bedient wurden. Der Bedarf nach einer Verlängerung der Gesetzgebung ist dadurch strukturell schon jetzt abzusehen.

Im Detail

ist die Abgrenzung nicht einfach. Was ist „wesentlich“? Was ist bspw. mit folgenden Kosten?

objektbezogene Kosten
– Versorger (Wasser, Strom, Gas, BSR)?
– Versicherungen? Ist die Versicherung im Schadenfall dann leistungsfrei?
– die Hausverwaltung?
– Dauerverträge wie Schädlingsbekämpfung, Hausreinigung, Gartenpflege, Aufzugnotruf oder Aufzugwartung?
– laufende Steuern und Abgaben wie Grundsteuer und Straßenreinigung?
– Darlehenszinsen?
– Darlehenstilgung?
– Leasingraten für den Bürokopierer? Die Computer?
– Telefonkosten?

private Kosten
– private oder freiwillig gesetzliche eigene Krankenkasse?
– Beiträge ins Versorgungswerk oder eine andere berufsständische Altersvorsorge?
– laufende Pflegeheimkosten für die Eltern?
– Schulgeld für die Kinder? Kitabeiträge?
– Fitness-Studio? Klavierunterricht für die Kinder? Leasingraten fürs Auto?

Was ist mit einmaligen Ausgaben, etwa einer Handwerkerrechnung?

Eine detaillierte Ausarbeitung des Kollegen Wilfried Stechow dazu gibt es in diesem Beitrag. Wer sich in das Thema einschließlich Insolvenz- und Darlehensrecht insgesamt einlesen will, findet hier einen ersten Überblick.