Die Übertragung von Immobilien (oder Anteilen daran) zu Lebzeiten auf die Kinder ist häufig steuerlich motiviert. Schenkungen sind in Deutschland steuerpflichtig, wobei im Verhältnis zu eigenen Kindern ein Freibetrag von 400.000 Euro alle 10 Jahre gilt.
Dieser Freibetrag von 400.000 Euro ist seit dem 01.01.2009 unverändert (siehe hier). Die durchschnittlichen Immobilienpreise haben sich seit dem verdoppelt (siehe hier). Das gilt allerdings nur für den deutschen Durchschnitt insgesamt – blickt man auf Ballungsräume wie Berlin, haben sich die Kaufpreise seit 2016 zu heute bereits verdoppelt (siehe hier). Nach meiner subjektiven Erinnerung konnte man in 2008 Wohnungen in Berlin für deutlich unter 1.000 Euro/qm kaufen, der Vervielfachungsfaktor zum heutigen Markt ist, trotz der Krisenstimmung der letzten zwei Jahre, höher als zweifach.
Anders formuliert: konnte man in 2009 einem Kind noch drei bis fünf Wohnungen innerhalb des Freibetrags schenken, ist es heute kaum mehr eine.
Entsprechend wächst der Bedarf an steuerlicher Gestaltung zur Vermeidung von Steuerzahlungen aufgrund Schenkung. Ein mögliches Vorgehen ist die Schenkung gegen Nießbrauch: das Kind erhält schon einmal rechtliches Eigentum (oder anteiliges Eigentum innerhalb des aktuellen Freibetrags), der Schenker behält sich aber das sog. wirtschaftliche Eigentum (= Nießbrauch) vor. Er erhält also weiter die Mieten oder darf in der Immobilie weiter wohnen. Diese Belastung des rechtlichen Eigentums mit einem bestehen bleibenden Nutzungsrecht des Schenkers hat einen Wert, der den Wert der Schenkung reduziert. Der Wert des Nießbrauchs ist höher, je jünger der Schenker ist, und er orientiert sich am Wert der Nutzung, die vorbehalten bleibt (= Mietäquivalent). Wenn fünf bis 10 Jahresmieten vom Wert der Übertragung abzuziehen sind, gibt das Spielraum für eine Schenkung im Nominalwert von mehr als dem Freibetrag, ohne diesen zu übersteigen.
Beispiel: die Wohnung ist 750.000 Euro wert. Es werden 2/3 an das Kind geschenkt (= 500.000 Euro). Die Jahresmiete beträgt 20.000 Euro, der Wert des vorbehaltenen Nießbrauchs liegt bei 5 Jahresmieten = 100.000 Euro. Der steuerliche Wert der Übertragung liegt dann bei (500.000 Euro – 100.000 Euro =) 400.000 Euro, die Schenkung ist steuerfrei.
Im konkreten Einzelfall empfiehlt sich dringend, einen Steuerberater mit einzubeziehen, der die Rechnung für den individuellen Vorgang erstellt.
Für den Schenker hat ein Nießbrauch außerhalb steuerlicher Überlegungen natürlich den weiteren Vorteil, daß er weiterhin die Mieten erhält. Wurde das Immobilienvermögen zu Zwecken der Altersvorsorge aufgebaut, bleibt es ihm so erhalten, auch wenn das rechtliche Eigentum nach und nach auf die Kinder übergeht.
Übrigens läßt sich grundbuchlich absichern, daß die Kinder die Immobilie nicht weiterverkaufen, nicht in einer Scheidung verlieren und nicht in sie gepfändet wird, zum Beispiel mit einer bedingten Rückauflassungsvormerkung für den Schenker: tritt einer der dort geregelten Fälle ein, geht das Eigentum an ihn zurück, ohne daß jemand mit späteren Rechten daran etwas ändern kann. Eine solche Absicherung wird zeitgleich mit der Schenkung veranlasst.
Tobias Scheidacker, Notar in Berlin-Charlottenburg