Fortsetzung: reduzierte Beleihungswerte durch EU-Richtlinie?

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Die Restnutzungsdauer einer Immobilie ist für ihren Beleihungswert von maßgeblicher Bedeutung. Eine von der EU durch Richtlinie vorgegebene reduzierte Restnutzungsdauer – siehe meinen gestrigen Beitrag hier – wirft daher die Frage auf, ob das Auswirkungen auf a) die Finanzierbarkeit von Ankäufen und b) die Durchführung bereits bestehender Kreditverträge hat.

Hintergrund dieser Überlegung ist, daß der Beleihungswert letztlich der Wert der Sicherheit ist, welcher dem Kredit zugrunde gelegt wird. Um das zu gewährleisten, kommt es nicht nur auf den Zeitpunkt der Kreditentscheidung an, sondern auf die gesamte Laufzeit des Kreditvertrags. Ein Verkauf der Sicherheit muß zu jeder Phase den Kredit abdecken. Der Beleihungswert stellt daher die absolute Obergrenze dar, bis zu der ein Kreditinstitut einen Kredit gewähren darf.

rechtliche Grundlagen

Geregelt ist das in einem Gesetz (PfandbriefG) und einer Verordnung (BelWertV):

§ 16 Abs. 3 PfandBriefG bestimmt:

Der Beleihungswert darf den Wert nicht überschreiten, der sich im Rahmen einer vorsichtigen Bewertung der zukünftigen Verkäuflichkeit einer Immobilie und unter Berücksichtigung der langfristigen, nachhaltigen Merkmale des Objektes, der normalen regionalen Marktgegebenheiten sowie der derzeitigen und möglichen anderweitigen Nutzungen ergibt. Spekulative Elemente dürfen dabei nicht berücksichtigt werden. Der Beleihungswert darf einen auf transparente Weise und nach einem anerkannten Bewertungsverfahren ermittelten Marktwert nicht übersteigen. Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, für welchen ein Beleihungsobjekt am Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber, nach angemessenem Vermarktungszeitraum, in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt.

Nähere Bestimmungen dazu, wie man das ermittelt, enthält die „Verordnung über die Ermittlung der Beleihungswerte von Grundstücken“, kurz BelWertV, zu finden hier. Das Thema ist ist in einem erfreulich guten Wikipedia-Artikel verständlich ausgearbeitet, auf den ich an dieser Stelle verweisen möchte.

Die Restnutzungsdauer als Teil des Beleihungswertes.

Die Restnutzungsdauer ist nach § 13 Abs. 2 BelWertV ein maßgeblicher Faktor der Berechnung des Beleihungswertes. Die Vorschrift formuliert das etwas mathematisch so:

Bei einer Restnutzungsdauer der baulichen Anlage von weniger als 30 Jahren ist auch der Anteil des Bodenwerts am Reinertrag über die Restnutzungsdauer der baulichen Anlage zu kapitalisieren oder sind die ermittelten Abbruchkosten der baulichen Anlage vom Ertragswert abzuziehen. Hinsichtlich der Abzinsung der Abbruchkosten gilt Absatz 1 Satz 4 entsprechend.

Das bedeutet, daß der Beleihungswert der Immobilie umso geringer ist, je geringer ihre Restnutzungsdauer ist.

Ist eine Nachbesicherung nötig?

Wenn der Wert der Immobilie unter den Wert des Kredits fällt, kann das dazu führen, dass die Bank das Risiko der Kreditvergabe erhöht sieht und eine Nachbesicherung fordert. Eine Nachbesicherung kann zum Beispiel in Form einer zusätzlichen Sicherheit wie einer Bürgschaft oder einer Hypothek auf einem anderen Grundstück erfolgen.

Dieses Recht ist idR. in den AGB bzw. Kreditbedingungen der Banken vorgesehen. Eine generelle gesetzliche Verpflichtung für Banken, eine Nachbesicherung zu fordern, wenn der Wert der Immobilie unter den Wert des Kredits fällt, gibt es aktuell in Deutschland nicht. Die Entscheidung darüber obliegt der Bank und hängt von verschiedenen Faktoren wie der Bonität des Kreditnehmers, der Höhe des Kredits und dem Risiko der Kreditvergabe ab.

Diese individuell-rechtliche Überlegung für den Einzelfall kann durch regulatorische Rahmenbedingungen in der Praxis jedoch überholt werden, und zwar dann, wenn das Kreditportfolio einer Bank insgesamt durch Wegfall von Sicherheiten in Schieflage gerät. Dann muß die Bankenaufsicht tätig werden. Die nötigen Mittel werden ihr durch § 44 Kreditwesengesetz (KWG) an die Hand gegeben.

Die Bankenaufsicht hat nach dem KWG die Aufgabe, die Stabilität des Finanzsystems zu gewährleisten und die Einhaltung von Gesetzen und Vorschriften zu überwachen. Wenn eine Bank viele Kredite vergeben hat, bei denen die Sicherheiten wegfallen oder nicht mehr ausreichen, um den Kredit zu decken, kann das zu einem erhöhten Risiko für die Bank und das Finanzsystem insgesamt führen. Die Bankenaufsicht kann in diesem Fall Maßnahmen ergreifen, um die Bank zu stabilisieren und das Risiko für das Finanzsystem zu minimieren.

Dazu kann sie die z.B. Bank auffordern, ihr Kreditportfolio zu überprüfen und Risiken zu reduzieren, indem sie faule Kredite abschreibt, Sicherheiten nachfordert oder das Kreditgeschäft einschränkt. In schweren Fällen kann die Bankenaufsicht auch eine Rekapitalisierung der Bank verlangen oder eine Abwicklung der Bank anordnen, um das Risiko für das Finanzsystem zu minimieren.

Die EU-Richtlinie zur reduzierten Restnutzungsdauer von Gebäuden hat m.E. das Potential, das zu bewirken, da sie nicht nur einzelne, sondern ganze Kategorien von Gebäuden – und damit Kreditsicherheiten – schlagartig und erheblich im Wert reduziert. Banken, die viele Immobilien mit schlechten Energiekennwerten kreditiert haben, haben deshalb möglicherweise jetzt ein Problem.

Wegfall der Handelbarkeit solcher Immobilien?

Wenn man das weiter denkt, stellt sich als nächstes die Frage, ob eine Bank den Kauf einer Immobilie mit schlechten Energiekennwerten überhaupt noch finanzieren sollte? Denn dadurch holt sie sich ein Sicherheitenrisiko ins Portfolio, das obige Probleme in ihrem Gesamtportfolio verstärkt. Das dürfte ab sofort zu größerer Zurückhaltung führen. Das wiederum dürfte dazu führen, daß solche Immobilien schlechter veräußerbar sind mit der Folge, daß ihr Marktwert fällt, mit der Folge, daß der Beleihungswert der Immobilien, die sich als Sicherheiten aktuell in den Kreditportfolien der Banken befinden, weiter sinkt. Diese Effekte verstärken sich gegenseitig.

Ergebnis

Neukredite für Gebäude mit schlechten Energiewerten dürften ab sofort schwieriger zu erhalten sein als bisher. Ob eine Motivation besteht, das Portfolio schon vergebener Kredite genauer zu untersuchen, bleibt abzuwarten, denn solange keiner die reduzierte Sicherheit zur Kenntnis nimmt, kann man einen daraus resultierenden Handlungsdruck vielleicht ignorieren.