In letzter Zeit mehren sich die Fälle in unserer Praxis, in denen Generalbevollmächtigte tätig werden wollen oder müssen, ihnen aber die Vollmachtsexemplare ausgehen, auf deren Basis sie das dürfen. Das kann zu völliger Handlungsunfähigkeit in jede Richtung führen mit der Folge erheblicher Vermögensrisiken für den Vollmachtgeber.
Normalerweise würde man den Vollmachtgeber bitten, einfach eine neue Vollmacht zu unterzeichnen, dann hat man wieder eine. Das geht allerdings nicht, wenn der Vollmachtgeber in der Zwischenzeit geschäftsunfähig wurde. Ein häufiger Fall ist Altersdemenz. Eine häufige Konstellation ist, daß ein Elternteil das Eigentum an einer oder mehreren Immobilien zu Lebzeiten auf den Nachwuchs übertragen hat, sich aber den Nießbrauch vorbehielt, um darin weiter zu wohnen und/oder weiter die Erträge (= Rente) daraus zu erzielen. Die Kinder als Eigentümer erhalten hier häufig eine Generalvollmacht für den Fall, daß der übertragende Elternteil dement / geschäftsunfähig wird, so daß seine Angelegenheiten auch dann noch geregelt werden können. Auch ohne Nießbrauchskonstellation sehen wir solche Eltern-Kind-Generalvollmachten. Fehlen Kinder oder ist der Eigentümer mit diesen zerstritten, rückt mitunter eine Hausverwaltung oder ein Anwalt in die Vertrauensposition und erhält Generalvollmacht.
Die deutsche Alterspyramide läßt erwarten, daß vorbeschriebene Lage kein Auslaufmodell ist, sondern im Gegenteil uns zunehmend begleiten wird. Die Weichen müssen hier gestellt werden, BEVOR der Vollmachtgeber handlungsunfähig wurde. Das gibt Anlaß, hier im Blog einmal ein paar grundsätzliche Worte darüber zu verlieren, wie man eine solche Vollmacht korrekt und zukunftsfest aufsetzt.
Wo liegt das Problem?
Wenn Sie auf Basis einer Vollmacht für jemand anderen tätig werden, müssen Sie grundsätzlich das Original der Vollmachtsurkunde vorlegen. Geschieht das nicht, kann die Gegenseite das rügen und Ihre Aktion ist unwirksam. Rechtsgrundlage dieser Wertung ist § 174 BGB. Er lautet:
§ 174 Einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten
Ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, ist unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grunde unverzüglich zurückweist. …
Mit „Vollmachtsurkunde“ meint das Gesetz das Original. Eine Kopie reicht nicht. Einseitige Rechtsgeschäfte sind zum Beispiel Kündigungen, Mieterhöhungen, Betriebskostenabrechnungen und Abmahnungen.
Nehmen wir an, der Eigentümer eines Mehrfamilienhauses hat seiner Tochter pauschal 10 Generalvollmachten unterzeichnet für den Fall, daß er handlungsunfähig wird. Später wird er dement und die Tochter beginnt, in seinem Namen zu handeln. Es ist absehbar: über kurz oder lang werden die 10 Originalexemplare der Vollmacht aufgebraucht sein. In Bezug auf die Immobilie muß zumindest 1x jedem der Mieter ein Original der Vollmacht vorgelegt werden, wenn eine Zurückweisung der betreffenden Erklärung – zum Beispiel einer Mieterhöhung – vermieden werden soll. Hat ein Mieter einmal erfolgreich wegen Vollmachtsmangels zurückgewiesen, spricht sich das möglicherweise im Haus herum und mit weiteren solchen Zurückweisungen ist in der Folge zu rechnen. Sind alle Vollmachtsoriginale aufgebraucht, kann ein Mieter, der keins erhalten hat, im Grunde aufhören zu zahlen: wirksam kündigen läßt er sich von der Tochter dann nicht mehr, weil eine Kündigungserklärung durch sie wirksam nicht mehr in Vollmacht abgegeben werden kann, zumindest solange der Mieter eine ohne Originalvollmacht zugestellt Kündigung wegen Vollmachtsmangels immer zurückweist.
Diese Situation läßt sich nicht sicher dadurch lösen, daß statt 10 Exemplaren einfach 100 unterzeichnet werden. Denn in welcher Frequenz und Zahl der Fälle eine Vorlage nach außen notwendig wird und wie lange der demente Zustand des Vollmachtgebers anhält, ist naturgemäß unklar.
zusätzlicher Einwand gegen Echtheit oder Wirksamkeit der Vollmacht
Eine privatschriftlich ausgestellte Vollmacht muß darüber hinaus zwei Hürden nehmen:
- Es muß im Zweifel nachgewiesen werden, daß sie vom Vollmachtgeber stammt, also nicht etwa ein Dritter sie unterzeichnet hat.
- Es kann gegen sie eingewandt werden, daß der Vollmachtgeber bereits dement / geschäftsunfähig war, als er sie unterzeichnete. In diesem Fall wäre sie unwirksam.
Letzteres sehen wir insbesondere dann, wenn zwischen dem Ausstellungsdatum und der späteren Feststellung der Geschäftsunfähigkeit kein allzu langer Zeitraum liegt. „Nicht allzu lang“ kann freilich aus medizinischer Sicht mehr als ein Jahr sein.
Über beide Einwände streiten Parteien immer wieder. Die Unterzeichnung durch den Vollmachtgeber selbst läßt sich in der Regel durch ein graphologisches Gutachten irgendwann beweisen. Schwieriger ist dann schon der Nachweis, wann genau denn der Vollmachtgeber diese Unterschrift geleistet hat. In der Vollmacht mag ein Datum stehen. Es läßt sich dennoch nicht ausschließen, daß ein dementer Vollmachtgeber das mit falschem Datum unterzeichnet hat. Wie also kann man nachweisen, daß die Unterschrift geleistet wurde, als er noch nicht dement war?
Wenn Sie einen Chemiker fragen, könnte seine Antwort sein, daß er das genaue Alter der Tinte nicht feststellen kann, wenn sie ein bestimmtes Alter, sagen wir ein halbes oder ein Jahr, überschritten hat. Ein Papierexperte kann vielleicht bestimmen, wie alt das Papier ist, auf dem unterzeichnet wurde, aber das sagt nicht unbedingt etwas darüber aus, wie alt die auf diesem Papier geleistete Unterschrift ist. Ein Schriftgutachter kann Anhaltspunkte im Schriftbild der Unterschrift dafür finden, daß der Unterzeichner dement war, als er sie leistete, wenn es deutliche Auffälligkeiten und Abweichungen zu früheren Unterschriften gibt. Was er hingegen weniger kann ist, zu bestätigen, daß der Unterzeichner noch nicht dement war, wenn das Schriftbild solche Auffälligkeiten nicht aufweist.
Nun nehmen wir an, Sie müssen einem Mieter kündigen, weil er nicht mehr zahlt, und streiten sich im Räumungsprozeß vermittels vorgenannter Gutachter darüber, ob die Originalvollmacht Ihrer Kündigungserklärung wirksam war oder nicht. Das ist nicht nur sehr teuer, sondern dauert auch sehr lange, und während der ganzen Zeit fehlen die Mieteinnahmen. Durch die Nichtzahlung des Mieters fehlt mglw. zugleich das Geld für einen solchen Prozeß. Und die Kreditraten auf eine noch nicht abbezahlte Immobilie müssen trotzdem fortlaufend bedient werden.
Läßt sich das Problem mit dem letzten Originalexemplar im Nachhinein reparieren?
Nein. Nur ein Original erfüllt die Voraussetzungen des § 174 BGB. Es hilft nicht, mit diesem zum Notar zu gehen und sich davon eine beglaubigte Kopie anfertigen zu lassen. Diese mag das Notarsiegel tragen und mit Schnur gebunden sein, es bleibt dennoch eine Kopie, und Kopien reichen nun mal nicht.
Was ist, wenn Sie bereits in der Situation sind?
Liegen keine originalen Vollmachten mehr vor und können Sie deshalb für den Vollmachtgeber nicht mehr handeln, ist möglich, beim Amtsgericht die Bestellung eines Betreuers zu beantragen. Dabei kann angeregt werden, daß der bisherige Bevollmächtigte zum Betreuer bestellt wird. Das Gericht kann dem folgen, muß es aber nicht. Insbesondere wenn Interessenkollisionen zu erwarten sind, kann die Wahl des Betreuers durch das Gericht vom gestellten Antrag abweichen.
Reduktion der Probleme durch notarielle Beglaubigung
Sie können die oben genannten Einwände beheben oder zumindest abmildern, wenn die Vollmacht nicht nur vom Vollmachtgeber handschriftlich unterzeichnet wird, sondern wenn darüberhinaus diese Unterschrift vor den Augen eines Notars geleistet wird, welcher sie sodann beglaubigt. Durch die notarielle Beglaubigung stehen zwei Dinge fest: a) daß der Unterzeichner tatsächlich der Vollmachtgeber war und b) an welchem Tag er seine Unterschrift leistete. Daß der Unterzeichner nicht schon dement war, bescheinigt eine Beglaubigung hingegen nicht. Bei offenkundigen Anzeichen dafür wird der Notar zwar die Beglaubigung ablehnen oder in seinen Beglaubigungsvermerk zumindest einen entsprechenden Hinweis aufnehmen. Es gibt jedoch genügend Fälle unerkannter Demenz, die zwar vorlag, aber hinreichend deutliche Anzeichen zum Zeitpunkt des Notartermins fehlten.
Eine Unterschriftsbeglaubigung kostet einen geringen Pauschalbetrag, die Rechtssicherheit erhöht sie enorm. Es gibt also keinen Grund, bei so wichtigen Dingen wie einer Generalvollmacht davon abzusehen.
Das gilt allerdings nur bei einer Unterschriftsbeglaubigung. Nach dieser haben Sie genau ein Vollmachtsexemplar. Wenn Sie hingegen vorsorglich 100 Vollmachtsoriginale erstellen wollen, müßten Sie 100 Unterschriftsbeglaubigungen durchführen. Das kostet dann in Summe doch schon etwas mehr. Und ob die Anzahl der Vollmachten am Ende ausreicht, wissen Sie nicht.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, daß der Notar die Qualität und den Inhalt des Textes, der unterschrieben wird, bei einer Unterschriftsbeglaubigung nicht prüft (jedenfalls nicht, solange er nicht in ein öffentliches Register eingetragen werden soll). Ob die Vollmacht inhaltlich reicht, wird hier von ihm nicht beraten.
Die notarielle Beglaubigung löst also nicht alle Probleme, die wir mit Generalvollmachten haben. Wie geht es besser?
Der einzige Weg, der rundum sicher ist: notarielle Beurkundung der Vollmacht
Der Unterschrift einer notariell beurkundeten Vollmacht zu einer lediglich beglaubigten ist, daß der Notar die Vollmacht verliest (wie bei einem Kaufvertrag), die Geschäftsfähigkeit des Unterzeichners durch entsprechende Fragen in der Beurkundung prüft, dazu in der Vollmacht seinen Eindruck vermerkt und das Original hinterher in seiner Urkundensammlung aufbewahrt. Von diesem Original kann der Notar anschließend jederzeit und so lange wie es nötig ist so viele „Ausfertigungen“ erteilen wie erforderlich.
Diese notariellen Ausfertigungen ersetzen das Original im Rechtsverkehr, § 47 BeurkG. Wenn Sie einer Kündigung eine Vollmacht beifügen müssen, verwenden Sie deshalb nicht das Original, sondern eine notarielle Ausfertigung. Das genügt den Anforderungen des § 174 BGB. Wenn Ihnen die Exemplare ausgehen, können Sie im Notariat anrufen und den Notar bitten, Ihnen weitere Ausfertigungen zu erstellen. Das bedeutet im Ergebnis, daß Ihnen die Vollmachten niemals ausgehen können, unabhängig davon, wie lange die Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers anhält.
Diese Ausfertigung kann nur von einer notariell beurkundeten Vollmacht erteilt werden, nicht von einer lediglich unterschriftsbeglaubigten.
Der Nachteil ist, daß die notarielle Beurkundung Gebühren auslöst, welche sich nach dem Geschäftswert der Vollmacht berechnen. Es kostet also mehr als eine ledigliche Unterschriftsbeglaubigung. Gemessen an dem Wert, den dieses Vorgehen im Ernstfall für die Interessen des Vollmachtgebers und die seiner Bevollmächtigten hat, ist das jedoch gut investiert, wie unsere anwaltliche Praxis immer wieder zeigt.
Hinzu kommt natürlich, daß die notarielle Erstellung zusätzlich eine Gewähr für die Qualität des Inhalts der Vollmacht bietet. Das läßt erwarten, daß weniger an notwendigem Regelungsinhalt übersehen wird und dann fehlt (z.B. eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB), oder daß kompliziertere Vermögensstrukturen, etwa bei Vorhandensein von Gesellschaftsbeteiligungen, dennoch so einbezogen werden, daß später nicht aus formalen Gründen doch in Teilbereichen Handlungsunfähigkeiten auftreten.
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