Die Vermeidung hoher Nachzahlungen
Die heute üblichste Mietstruktur ist eine Nettokaltmiete plus Nebenkostenvorauszahlungen. Über letztere ist jährlich abzurechnen und im Zusammenhang mit der Abrechnung kann für die Zukunft eine neue Vorauszahlung festgesetzt werden, § 560 Abs. 4 BGB.
Bei stark steigenden Energiepreisen, wie wir sie derzeit erleben, reichen die an der Vergangenheit orientierten Vorauszahlungen nicht aus, um die tatsächlich angefallenen Kosten zu decken. Allein die zeitliche Latenz kann zu gravierenden Abweichungen führen. Die Abrechnungfrist beträgt ein Jahr. Eine Abrechnung des Jahres 2020 im Dezember 2021 erlaubt eine Anpassung von Vorauszahlungen ab Februar 2022. Der Mieter zahlt dann im Jahr 2022 Vorauszahlungen auf der Basis des durchschnittlichen Preisniveaus zwei Jahre zuvor.
Hohe Nachforderungen sind die Folge. Ein besonderes Problem für Jobcentermieter ist dabei, daß die Nachzahlung aus einer Nebenkostenabrechnung nicht ohne weiteres übernommen wird (zu den Einzelheiten siehe bspw. hier). Wird die Nachzahlung abgelehnt, muß der Mieter das aus eigener Tasche aufbringen und kann versuchen, seine Ansprüche vor dem Sozialgericht durchzusetzen. Im Zweifel bleibt dann auch der Vermieter erst einmal auf seiner Forderung sitzen. Laufende Nebenkostenvorauszahlungen sind weniger problematisch (§ 22 SGB II). Auch für alle anderen Mieter ist es einfacher, wenn die laufenden Nebenkostenzahlungen in etwa passen und hohe Nachzahlungen nicht entstehen. Denn monatlich 100 Euro mehr zu bezahlen ist für viele einfacher als 1.200 Euro auf einen Schlag.
Wie ist die Rechtslage?
Die von mir oben verwendete Formulierung „im Zusammenhang mit“ ist nicht ganz korrekt. Das Gesetz spricht von „nach einer Abrechnung“. Daraus leiten die Gerichte her, daß sich die Höhe der künftigen Vorauszahlungen an der Abrechnung orientieren muß, so daß zum Beispiel Fehler in der Abrechnung auch auf die Anpassung der Vorauszahlungen durchschlagen. Der BGH (VIII ZR 245/11) urteilte dazu:
„Eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB ist nur insoweit begründet, als sie nicht nur auf einer formell ordnungsgemäßen sondern auch auf einer inhaltlich korrekten Abrechnung beruht. Bereits absehbare Kostensteigerungen dürfen bei der Anpassung berücksichtigt werden, während ein abstrakter Sicherheitszuschlag nicht zulässig ist.“
Die Begründung lautet, daß durch die Anpassung eine möglichst realistische Bemessung der Vorauszahlungen erreicht werden soll, so dass bei der späteren Abrechnung weder ein großes Guthaben des Mieters noch eine hohe Nachforderung des Vermieters entstehen (nach juris Rn. 15).
Ähnlich hatte der BGH das zuvor schon einmal entschieden (VIII ZR 294/10):
„Die letzte Betriebskostenabrechnung ist Grundlage für eine Anpassung der Vorauszahlungen, hindert aber nicht die Berücksichtigung anderer – bereits eingetretener oder noch eintretender – Umstände, von denen die im laufenden Jahr entstehenden Kosten voraussichtlich beeinflusst werden. Es ist jedoch kein Raum für einen „abstrakten“ Sicherheitszuschlag in Höhe von 10 % auf die zuletzt abgerechneten Betriebskosten. … Lassen solche Umstände Vorauszahlungen in anderer Höhe als angemessen erscheinen, als unter Zugrundelegung der Abrechnung des Vorjahres zu erwarten wäre, so können sowohl der Mieter als auch der Vermieter eine entsprechende Anpassung vornehmen.“
Unproblematisch ist nach alledem, wenn die Anpassung des monatlichen Vorauszahlungsbetrages auf 1/12tel des Abrechnungsergebnisses erfolgt. Das bedarf keiner weiteren Erläuterung. Wenn es mehr sein soll, ist mit dem BGH ein gewisser Begründungsaufwand erforderlich, und zwar zum konkreten einzelnen Mietverhältnis. In der vorgenannten Entscheidung VIII ZR 294/10 hatte sich der Vermieter auf bekanntermaßen stark gestiegene Energiekosten bezogen, ohne jedoch anhand von vorhandenen Preisinformationen im einzelnen auszurechnen, was das für das vorliegende Mietverhältnis bedeutet, und ohne die Über-Anpassung nur auf diejenigen Abrechnungspositionen zu beziehen, die von der Energiekostensteigerung betroffen waren. Das reichte dem BGH nicht:
„Vergeblich beruft sich die Beklagte in der Klageerwiderung darauf, dass es dem Vermieter infolge der bekannten allgemeinen Preissteigerung gestattet sei, einen „Sicherheitszuschlag“ von 10 % geltend zu machen. Ein abstrakter Zuschlag in dieser Höhe auf die gesamten Betriebskosten des Vorjahres steht dem Vermieter, wie ausgeführt, nicht zu.
Auch der ergänzende Hinweis auf „die bekannte massive Steigerung der Energiekosten“ vermag die von der Beklagten beanspruchte Anpassung nicht zu rechtfertigen. Zwar trifft es zu, dass unter dem Gesichtspunkt steigender Energiekosten eine Erhöhung der Vorauszahlungen über den Betrag hinaus, der sich aus dem Abrechnungsergebnis des Vorjahres errechnen lässt, angemessen sein kann. Dies setzt aber voraus, dass unter diesem Gesichtspunkt die Erhöhung der energieabhängigen Betriebskosten entweder auf die Vorauszahlungen für diese Betriebskosten beschränkt oder aber nur anteilig in die Berechnung der Vorauszahlungen für die Betriebskosten insgesamt einbezogen wird. Beides ist bei der von der Beklagten vorgenommenen Anpassung nicht der Fall. Die von ihr beanspruchte Erhöhung der Vorauszahlungen über das Abrechnungsergebnis des Vorjahres hinaus um weitere 10 % wegen steigender Energiekosten beschränkt sich nicht auf gesondert ausgewiesene Heizkosten oder andere energieabhängige Kosten, sondern erfasst die – nicht aufgeschlüsselten – „Betriebskosten“ und „Heiz-/Hausnebenkosten“ insgesamt und in voller Höhe.“
richtiger Umgang in der Praxis
Das bedeutet im Ergebnis, daß es zwar möglich ist, für einzelne Positionen höhere Vorauszahlungen anzusetzen. Hierfür muß es aber einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt geben und das gesondert begründet werden.
Wenn zum Beispiel im Jahr 2020 der durchschnittliche Gaspreis bei 8 Euro pro MWh lag und jetzt im Februar 2022 bei 44 Euro pro MWh, läßt sich anhand des Gasverbrauchs des Jahres 2020 eine Hochrechnung auf die voraussichtlichen Kosten in 2022 vornehmen und hieraus ein realistischer Abschlag ableiten. Im Anpassungsschreiben ist das entsprechend zu erläutern.
Der Mieter wird den Vorteil für sich selbst nicht auf Anhieb erkennen, sondern erst einmal nur lesen, daß er mehr zahlen soll, und sich hiergegen vielleicht wehren wollen. Es ist deshalb sinnvoll, wenn auch rechtlich nicht notwendig, ein wenig Erläuterung darauf zu verwenden, ihm zu erklären, daß auf diese Weise eine hohe Nachzahlung für die laufende Abrechnungsperiode vermieden werden soll und es für ihn mglw. auch einfacher ist, monatlich einen gewissen Betrag mehr vorauszuzahlen als hinterher alles auf einmal. Es schadet nicht, dabei mit zu erläutern, daß es sich nicht um Geld handelt, das der Vermieter für sich selbst beansprucht oder an dem der Vermieter zusätzlich verdient, sondern um einen reinen durchlaufenden Posten, der abhängig ist vom Verbrauch des Mieters und der allgemeinen Preisentwicklung. Wenn der Mieter versteht, daß die Nebenkostenvorauszahlungen wie seine Stromrechnung auf Abschlägen und seinem Verbrauch beruhen und die Höhe der Kosten letztlich auf dem allgemeinen Preisniveau, ist ein Verständnis für erhöhte Abschläge eher zu erwarten, als wenn diese einfach nur festgesetzt werden, aber von der Höhe der begleitenden Abrechnung deutlich abweichen.