AG Spandau: Berliner Mietspiegel 2021 ist nichtig.

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Wer meine Beiträge hier im Blog schon länger verfolgt, weiß, daß bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des Berliner Mietspiegels 2021 gravierende rechtliche Bedenken in der juristischen Fachliteratur geäußert wurden. Die Einzelheiten habe ich in drei Beiträgen vom 13. bis 15. Mai 2021 dargelegt.

Die Problematik birgt Risiken und Chancen – letztere zum Beispiel bei Neuvermietungen, die sich über Mietgutachten frei von den Beschränkungen der Mietspiegelstatistik in realistischen Höhen rechtssicher vornehmen lassen (siehe hier). Risiken gibt es hingegen bei der Mieterhöhung im laufenden Mietverhältnis. Denn eine solche muß erst einmal begründet werden, bevor sie im Bedarfsfall prozessiert werden kann (siehe hier). Über die Daten von Vergleichswohnungen verfügt nicht jeder (insbesondere kleine) Vermieter und die Kosten eines Mietgutachtens (siehe hier) stehen nicht immer in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu der innerhalb der Kappungsgrenze von 15% erreichbaren Erhöhung.

Haus & Grund hat daher empfohlen, Mieterhöhungen trotz der formalen Bedenken gegen den Berliner Mietspiegel 2021 erst einmal mit diesem zu begründen. Denn erfahrungsgemäß stimmen 90% der Adressaten zu und dann ist die Erhöhung wirksam zustande gekommen, ungeachtet der Formalfragen im Vorfeld. Was aber macht man mit den restlichen 10%, die nicht zustimmen und die man verklagen müßte?

Das AG Spandau hat darauf nun klar und eindeutig geantwortet (Az. 6 C 395/21): es geht nicht. Um eine Mieterhöhung einzuklagen, müßte man sie vorher wirksam verlangt haben. Dazu muß man das Erhöhungsverlangen in der gesetzlich vorgesehenen Weise begründen, zum Beispiel mit einem Mietspiegel. Das als „Berliner Mietspiegel 2021“ bezeichnete Dokument ist aber kein Mietspiegel, da er die gesetzlichen Mindestkriterien nicht wahrt. Deshalb reicht eine Begründung nur mit diesem nicht aus.

Am AG Charlottenburg habe ich in einer mündlichen Verhandlung kürzlich ähnliches gehört. Das formal wirksame Erhöhungsverlangen wird damit zum neuen maßgeblichen Kriterium für den Erfolg dieser Prozesse.

Hat man diese vorprozessuale Hürde aber erst einmal genommen, ist inhaltlich idR. nur wenig Risiko übrig. Denn die Gutachten, die ich in den letzten 6 Monaten gesehen habe, weisen insbesondere bei aktuellen Bewertungsstichtagen deutlich über den Mietspiegelwerten liegende Ergebnisse aus.

Im Ergebnis bestätigt sich meine Empfehlung aus dem Mai letzten Jahres für Neuvermietungen: holen Sie für diese vorab ein Gutachten über die aktuelle ortsübliche Vergleichsmiete ein. Eine Vermietung von 10% über diesem Wert ist zulässig. Der nächste Mietspiegel (2023) wird als Stichtag den 01.09.2022 haben. Wenn dieser wieder aus einer Erhebung resultiert und die aktuellen Mängel vermeidet, werden ihm die Gerichte mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit folgen. Das Zeitfenster für Gutachten schließt sich dann. Haben Sie mit einem aktuellen Gutachten vorher jedoch wirksam eine zulässige Miete vereinbart, bleibt Ihnen diese als Vormiete in folgenden Mietverhältnissen erhalten, unabhängig davon, was der Mietspiegel dann ausweist.

Nachtrag 13.06.2022:

Die Berufungsinstanz (LG Berlin ZK 67) folgt der Ansicht des AG Spandau nicht, sondern erklärt, daß der Mietspiegel 2021 jedenfalls als Begründungsmittel ausreicht: