von Christiane Mergner
In Berlin gibt es einen besonderen Schatz: die Berliner Altbauten, die um die Jahrhundertwende, in der Gründerzeit und dem Jugendstil, zwischen 1870 und 1914 entstanden sind.
Kastenfenster, Schmuckfassaden, Stuck, Dielenboden und hohe Decken. Die Berliner Altbauten sind seit Jahrzehnten auf dem Wohnungsmarkt sehr beliebt. Viele der wunderschönen Häuser mit farbigen, reich dekorierten Fassaden sind saniert und instandgesetzt.
Ein Detail wird dabei oft übersehen: die Treppenhausfenster der Berliner Altbauten.
Vorderhaus, Seitenflügel, Gartenhaus, alle Gebäudeteile des typischen Berliner Altbaus besitzen ein Treppenhaus und jedes Treppenhaus wurde zur Erbauungszeit mit reich verzierten Bleiverglasungen, Glasmalerei und Glasmattierungen ausgestattet.
Wie entstanden die typischen Berliner Altbau-Treppenhausfenster?
Das typische Berliner Treppenhausfenster besteht aus einem großen Holz-Fensterflügel von ca. 1 m x 2 m. Dieser ist unterteilt mit vertikalen und horizontalen Holzsprossen, so dass ein umlaufender Randfries entsteht, zum Beispiel:

Alle diese Holzfenster hatten zur Erbauung der Bewohner farbig leuchtende Bleiverglasungen montiert, welche der Bauherr aus diversen Katalogen auswählen konnte. Eine der größten Firmen, die sich mit der Herstellung von Glasmalerei, Bleiverglasung und Glasmosaiken beschäftigte, waren die „Vereinigten Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei Puhl & Wagner, Gottfried Heinersdorff“. Bis zu 200 Mitarbeiter kümmerten sich in den großen Werkstätten um die Herstellung der farbigen Kunstverglasungen.
Eine genaue Zahl ist nicht erfasst, aber es müssen Zehntausende dieser Fenster entstanden sein.
Flurschaden: viele dieser Fenster sind im Lauf der Geschichte verschwunden.
Vieles wurde in den zwei Weltkriegen zerstört, oder auch danach bei übereifriger Städteplanung abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Die Altbauten wurden vernachlässigt und zum Teil dem Verfall preisgegeben. Nach 1990 setzte zum Glück ein Umdenken ein. Die Berliner Altbauten wurden als besonders wertvolle Bausubstanz erkannt und in vielen Quartieren aufwendig saniert.
Manchmal wurden aus Geldmangel und/oder aufgrund eines falschen Modernisierungsansatzes die wunderbaren Berliner Treppenhausfenster entfernt und durch moderne Kunststofffenster mit Isolierverglasungen ersetzt. Jammerschade! Aber viele Hausbesitzer und Wohnungseigentumsgemeinschaften erkannten auch den besonderen Wert ihrer Fenster und investierten in die Restaurierung.

Hier kommen wir ins Spiel. Mein Team und ich betreiben seit 27 Jahren in Berlin eine Glaserei mit dem Schwerpunkt der Bleiverglasung und Glasmalerei, Neuanfertigung und Restaurierung.
Wie läuft ein Instandsetzungsauftrag an uns ab?
Wenn wir den Auftrag erhalten, ein altes Berliner Treppenhausfenster wieder instand zu setzen und es in seiner ursprünglichen Schönheit erstrahlen zu lassen, gehen wir in der Regel wie folgt vor:
Zunächst werden die Treppenhausfenster ausgebaut und die entstandenen Öffnungen mit Baufolie und Latten verschalt, so dass eine Notverglasung entsteht.
In der Werkstatt werden sodann alle Bleiverglasungen aus dem Treppenhausfenstern ausgebaut.
Sinnvoll ist es, mit einer Tischlerei zusammenarbeiten, die gleichzeitig die Sanierung der Holzfenster übernimmt, zum Beispiel Schreinermeister Steffen Tremel und seine Firma corpuslinea:
Die Bleiverglasungen werden von uns in der Werkstatt restauriert:
- Defekte Glasscheiben werden originalgetreu ersetzt,
- fehlende Bleiruten oder gerissene Lötstellen werden ergänzt,
- die gesamte Verglasung wird gerichtet, stabilisiert und verkittet und
- nach denkmalhistorischen Gesichtspunkten gereinigt.
- Wenn Teile der Kunstverglasungen fehlen, werden diese komplett rekonstruiert.

Dann werden alle Verglasungen wieder in den restaurierten Fensterrahmen eingesetzt.

Das Fenster kann zurück zu seinem Altbau transportiert und an seiner ursprünglichen Stelle wieder eingehängt werden, und beglückt fortan die Hausbewohner!
Oft findet eine solche Sanierung auch in Zusammenarbeit mit den Denkmalschutzbehörden statt.
Wir verwenden nach Möglichkeit echte alte Materialien!
Zum Glück haben wir die Möglichkeiten, die alten Materialien zu verwenden. Das Tischkathedralglas, Echtantikglas, das Opalescentglas, die historischen Fenstergläser werden noch wie damals in speziellen Manufakturen hergestellt, wie zum Beispiel in der Glashütte Lamberts Waldsassen:
Wer mehr über das Thema Berliner Altbauten wissen möchte: es ist gerade ein neues Buch zu diesem Thema erschienen.
Fassadendämmerung: Berliner Jugendstil von Heike Maria Johenning
In dem Buch werden viele herausragende Beispiele von Berliner Altbauten, insbesondere des Berliner Jugendstils, vorgestellt. Auch auf die Berliner Treppenhausfenster wurde in diesem Buch besonderes Augenmerk gelegt. Sie werden unsere Stadt Berlin mit neuen Augen sehen und viele erstaunliche Entdeckungen machen können!
