Wie viele Notare gibt es eigentlich in Berlin?

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Etwas Statistik

Das Informationsportal der Bundesnotarkammer enthält eine sehr übersichtliche Tabelle, in der die Zahlen der Mitglieder der Notarkammern in den Bundesländern zum Stichtag 1. Januar für die letzten 6 Jahre aufgeführt sind. Sie finden das Informationsportal hier unter Notar.de und die Seite mit der Statistik hier. Sie reicht aktuell zurück bis 2017. Ältere Werte von 1985 bis 2010 findet man hier auf der Seite der Bundesrechtsanwaltskammer. Die Zeit dazwischen findet man in verschiedenen Ausgaben einer speziellen Fachzeitschrift (DNotZ bspw. hier).

Für Berlin sieht man, daß die Zahl der Notare nach der Wende zügig und konstant stieg, bis sie im Jahr 2002 einen Höhepunkt bei 1.181 Berufsträgern erreichte. Seit dem geht sie konstant zurück – im Jahr 2010 waren es noch 938 Notare, im darauffolgenden Jahr wurden die Zulassungsvoraussetzungen verschärft und die notariellen Fachprüfungen eingeführt (siehe dazu meinen gestrigen Beitrag). Zum 1. Januar 2015 gab es in Berlin noch 772 Kollegen und in 2022 waren es 651. Das sind ziemlich genau so viele wie im Jahr 1990 (da waren es 655) und ungefähr einer auf 5.800 Einwohner.

Dem stehen 14.599 Rechtsanwälte in der Stadt gegenüber (siehe hier). Fachanwälte für Miet- und WEG-Recht gibt es übrigens noch weniger als Notare, nämlich 413 (siehe hier).

Eine Statistik darüber, wie viele Notare in Berlin wie ich zugleich Fachanwalt für Miet- und WEG-Recht sind, gibt es nicht. Ich nehme an, es sind nicht viele. Zwar liegen diese beiden Kompetenzen nah beieinander. Notariat ist aber sehr viel mehr als Immobilienrecht. Auch Fachanwälte für Gesellschaftsrecht, für Familienrecht oder für Erbrecht finden mit notariellen Themen inhaltlich weitreichende Überschneidungen.

Reicht das oder haben wir Notarmangel?

Angesichts der Statistik könnte man meinen, daß 651 Notare für eine Stadt wie Berlin wenig sind, immerhin waren es vor 20 Jahren fast doppelt so viele. Diese Sorge ist aber unbegründet. In ganz Bayern gab es zum 1. Januar 2022 insgesamt 480 Notare, bei einer Bevölkerung von rund 13 Mio. Menschen. Das ist einer auf 27.250 Einwohner. Diese 480 Kollegen haben zwar sicherlich viel zu tun, schaffen die Arbeit aber erkennbar auch. Gemessen daran sind wir in Berlin gut versorgt. Pressemeldungen wie „Berlin gehen die Notare aus“ sind also eigentlich nicht nötig.

Die Anzahl der Notarstellen ist bewußt begrenzt, da durch die Bundesländer nur so viele Notare bestellt werden, wie es die Versorgung der Bevölkerung erfordert. Um sicherzustellen, daß die Zulassungszahlen zum Bedarf passen, wird letzterer statistisch erfasst. Jedes Jahr Ende Januar müssen alle Notare der Landgerichtsverwaltung mitteilen, wie viele Urkundsgeschäfte im vergangenen Jahr von ihnen wahrgenommen wurden. Die Statistik unterscheidet dabei zwischen Beurkundungen und Beglaubigungen, letzteres nach Beglaubigungen mit und ohne Entwurfserstellung durch den Notar. Gezählt wird wie folgt:

  • eine Beurkundung (zum Beispiel ein Kaufvertrag) zählt mit dem Faktor 1
  • eine Unterschriftsbeglaubigung mit Entwurf durch den Notar zählt mit dem Faktor 0,5
  • Unterschriftsbeglaubigungen ohne Entwurf durch den Notar zählen mit dem Faktor 0,1

Ein Bedürfnis für die Bestellung von Notarinnen und Notaren besteht dann, wenn der Jahresdurchschnitt der Urkundsgeschäfte der Notare im Bezirk des Kammergerichts unter Berücksichtigung der zu errichtenden Notarstellen in den vergangenen vier Jahren mindestens 350 Notariatsgeschäfte erreicht oder überschreitet (siehe AVNot Ziffer I.1. Abs. 2). Das sind zum Beispiel 200 Beurkundungen (mit Vorlesen), 200 Entwürfe mit anschließender Unterschriftsbeglaubigung und 500 entwurfslose Unterschriftsbeglaubigungen = 900 Nummern pro Notar pro Jahr. Das ist schon eine ganze Menge, vor allem in Durchschnitt über alle Notare Berlins. Rechnet man 651 Kollegen mit je 350 Geschäften, sind das 227.850 Geschäfte zum Faktor 1,0 und entsprechend mehr zum Faktor 0,5 oder 0,1. Diese Auslastung müßte dauerhaft überschritten werden, um Bedarf für weitere Zulassungen zu signalisieren.

Es ist allerdings nicht so viel, daß man als Notar damit persönlich eine Leistungsgrenze erreicht, sondern füllt – gleichmäßig über das Jahr verteilt und ein gutes Sekretariat vorausgesetzt – etwa die Hälfte der täglichen Arbeitszeit, mit einem sehr gut besetzten und außerordentlich kompetenten Sekretariat sogar weniger. Der andere Teil der Arbeitszeit ist für die anwaltliche Tätigkeit gedacht, da wir in Berlin als Anwaltsnotare beide Berufe zugleich ausüben. Das erklärt auch, weshalb in Bayern deutlich weniger Notare pro Einwohner notwendig sind: die Kollegen dort arbeiten ausschließlich notariell und sind nicht zugleich auch Anwalt. Sie können ihren Urkunden daher ihre volle Arbeitszeit widmen.

Zurück zu Berlin. Neben der Bedarfsberechnung anhand der jährlichen Statistik der Notariatsgeschäfte werden zur Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs unabhängig vom Bedarf in jedem ungeraden Jahr 30 Notarstellen ausgeschrieben. Ein bestehender Bedarf wird allerdings darauf angerechnet (siehe AVNot Ziffer I.1. Abs. 3).

Fazit

Dieses ausgewogene System aus Bedarfserfassung und demographischem Ausgleich sorgt dafür, daß die Stadt ausreichend mit Kollegen versorgt ist, ohne daß durch eine Überversorgung Konkurrenzdruck entstünde, der die notarielle Neutralität gefährden könnte. Das hohe Niveau der notariellen Fachprüfungen seit 2011 stellt zudem bei jedem Notar die inhaltliche Qualität seiner Arbeit sicher.