Eigenbedarfsgutachten zwecks Verkauf

Veröffentlicht von

Im Jahr 2021 prägten zwei Themenschwerpunkte unsere Kanzleiarbeit: Mietpreisbremse und Eigenbedarf.

Zusammenhang zwischen Miethöhe und Vermietungsbereitschaft

Dabei haben wir schon in der Zeit, als der Mietendeckel noch nicht aufgehoben war, einen Zusammenhang zwischen der möglichen Miethöhe einerseits und der Bereitschaft privater Vermieter andererseits, ihre Wohnungen zu vermieten, festgestellt. Genauer gesagt handelt es sich um eine negative Korrelation: je geringer der erlaubte Mietzins, d.h. je weniger ertragreich und damit sinnvoll eine Vermietung, desto eher sind die Eigentümer bereit, auf eine Vermietung gleich ganz zu verzichten und die Wohnung anderweitig selbst zu nutzen.

Wir haben dieses Jahr etliche Eigenbedarfsverfahren geführt, nicht wenige davon relativ bald nach einer Mietpreisrüge des Mieters oder nach einer Auseinandersetzung im Zusammenhang noch mit dem Mietendeckel. Die Mieter vermuten dann immer, daß der Eigenbedarf gar nicht besteht und nur eine Retourkutsche für ihre Preisrüge ist. Das stimmt aber idR. nicht. Richtig ist, daß die Bereitschaft, die Wohnung weiter zu vermieten, durch die Rüge reduziert wird. Wenn ohnehin darüber nachgedacht wurde, ob man die Wohnung selbst nutzen oder einem Familienangehörigen überlassen will, kann eine solche Rüge das auslösende Moment sein, diese Entscheidung endlich zu treffen. Bei mehreren Wohnungen im Bestand kann eine solche Rüge das auslösende Moment sein, diese und nicht etwa eine andere Wohnung zu kündigen. Beides ist legitim.

Zusammenhang zwischen Miethöhe und Verkaufsbereitschaft

Eigentümer, die ihre Wohnung weder für sich selbst noch für jemanden aus der Familie brauchen, kommen bei unrentabler Vermietung schnell auf die Idee, sie zu verkaufen. Im aktuellen Guthmann-Marktreport (hier) lesen wir, daß der Median-Angebotspreis Stand 08.12.2021 für bestehende Kauf-Immobilien in Berlin bei etwa 5.180 EUR/qm liegt, ermittelt aus 28.380 Angeboten der letzten 12 Monate, verteilt über die ganze Stadt.

Das Problem ist nur: wenn die Wohnung vermietet ist, sind es wahrscheinlich 1.000 Euro weniger, und wenn sie leer ist sind es 1.000 Euro mehr.

leere Wohnungen sind wertvoller als vermietete

Der Grund ist, daß eine Leerwohnung nicht an ihrer Kapitalrendite, sondern an ihrer Wohlfühlrendite für den selbstnutzenden Käufer gemessen wird.

Der Kauf einer vermieteten Wohnung macht demgegenüber nur Sinn, wenn mit der Miete auch die monatliche Kreditrate bezahlt werden kann, und da wird es bei den niedrigen Berliner Mieten selbst bei sehr sportlich gerechneten Finanzierungen eng. Nehmen wir an, der Käufer bekommt einen Kredit für 1% Zins und tilgt ihn mit 2%. Nicht umlegbare Nebenkosten, Reparaturen, Verwaltung usw. erfordern ein weiteres 1%. Dann sind 4% Ertrag notwendig, um Kreditrate und laufende Kosten zu decken. Bei 5.180 Euro/qm sind 4% im Jahr 207 Euro, das sind im Monat rund 17,25 Euro. Das wäre die notwendige Nettokaltmiete pro qm, wenn Sie den Berliner Durchschnittskaufpreis vereinbaren, wie Guthmann ihn ermittelt hat. Etwaige Zinsänderungen oder eine solidere Tilgung sind da noch gar nicht berücksichtigt.

So eine qm-Miete haben Sie bei Nicht-Neubauten idR. nicht, jedenfalls nicht in mietpreisbremse-zulässiger Weise. Selbst bei 4.000 Euro Kaufpreis pro qm brauchen Sie noch eine Miete von 13,30 Euro. Das ist meilenweit weg vom Durchschnitt des Berliner Mietspiegels, der auch jetzt, am Ende des Jahres 2021, noch immer unter 7 Euro liegt. Und jetzt möchte der verkaufende Eigentümer nicht die 4.000 Euro/qm für vermietete Wohnungen erzielen, sondern die 6.000 Euro/qm, die man für Leerwohnungen bekommt, obwohl seine Wohnung vermietet ist. Also was tun?

Werterhöhung durch Eigenbedarfsgutachten

Selbst wegen Eigenbedarfs kündigen geht nicht, wenn der Eigentümer keinen Eigenbedarf hat. Solange der Mieter pünktlich seine Miete zahlt und keine schwerwiegenden Verstöße gegen die Hausordnung begeht, kann man ihn auch nicht aus anderen Gründen kündigen. Die Wohnung ist und bleibt zu Zeiten des Verkäufer-Eigentümers also vermietet, es sei denn der Mieter zieht von selbst aus.

Wenn hingegen jemand die Wohnung kauft, um dort einzuziehen, liegt für denjenigen Eigenbedarf vor. Der Käufer kann also kündigen. Hat er mit entsprechendem Wertabschlag eine vermietete Wohnung gekauft und kündigt sie erfolgreich leer, um selbst einzuziehen, hat er nicht nur eine schöne Wohnung für sich selbst, sondern zugleich eine erhebliche Wertsteigerung seiner Investition erzielt. Dieser Umstand hat dazu geführt, daß wir im Jahr 2021 eine steigende Zahl von Fällen bearbeiteten, in denen Käufer gezielt eine vermietete Wohnung suchten, die sie günstiger kaufen können, um anschließend den Mieter wegen Eigenbedarfs zu kündigen und selbst dort einzuziehen. Wir wurden hier jeweils mandatiert, im Vorfeld für den Käufer genau zu prüfen, ob eine solche Kündigung anschließend (nach Kauf) auch tatsächlich möglich und erfolgversprechend ist. Haben wir das bejaht, wurde gekauft. Anschließend war es dann unsere Aufgabe, die Kündigung zu erklären und durchzusetzen.

Für den Verkäufer ist das weniger schön, er erhält deutlich weniger Kaufpreis und kann selbst das Potential, das der Käufer realisiert, nicht heben. So entstand auf Verkäuferseite der Bedarf, die Wohnung trotz noch bestehender Vermietung „wie leer“ in Annäherung an den Preis ohne Mietvertragsbindung zu verkaufen und dem Interessenten zu vermitteln, daß ein Eigenbedarf möglich sein wird.

Spiegelbildlich zu unserer Tätigkeit für Käufer, die gezielt nach einer günstigen, weil vermieteten Wohnung suchten, beauftragte uns hier der Verkäufer mit der Prüfung der Kündigungsmöglichkeit des Erwerbers nach Verkauf, de facto also mit der Erstellung eines Eigenbedarfsgutachtens. Das wurde im zweiten Halbjahr so häufig abgefordert, daß ich mittlerweile einen standardisierten Ablauf anbieten kann. Der geht wie folgt:

  • Wir erhalten vom verkaufswilligen Eigentümer die notwendigen Unterlagen, mit denen wir prüfen können, ob ein Erwerber wegen Eigenbedarfs erfolgreich kündigen könnte.
  • Wenn das der Fall ist, schreibe ich ein offizielles Rechtsgutachten hierüber. Darin bestätige ich die grundsätzliche Möglichkeit der Kündigung wegen Eigenbedarfs und erläutere, wie lange das auf Basis meiner fortwährenden forensischen Erfahrung aktuell etwa dauert und was es in etwa kostet.
  • Mit diesem Gutachten kann der Makler des Verkäufers (oder der Verkäufer in seiner Eigenvermarktung) die Wohnung „wie leer“ anbieten und erreicht damit auch diejenigen Interessenten, die keine Kapitalanlage suchen, sondern etwas für sich selbst.

Selbst wenn der Verkäufer einen Abschlag vom Kaufpreis in Höhe der potentiellen Rechtskosten des Eigenbedarfsprozesses akzeptiert, hat er auf diesem Weg die Möglichkeit, einen deutlich besseren Preis zu erzielen als ohne ein solches Gutachten.

Verhandlungsstrategie mit Eigenbedarfsgutachten: einvernehmliche Mietvertragsaufhebung gegen Ablösezahlung

Wenn der Eigentümer dem Mieter unser Gutachten zur Kenntnis gibt und der Makler die Wohnung anbietet mit dem Vermerk, daß der noch bestehende Vertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt werden kann, können sich Verhandlungsmöglichkeiten öffnen, die es sonst nicht gäbe.

So haben wir dieses Jahr in mehreren Fällen eine dreiseitige Lösung gefunden, die für alle Beteiligten von Vorteil war. Die Struktur ist jeweils, daß der Verkäufer und der Mieter einen Aufhebungsvertrag abschließen, den der Käufer bezahlt (d.h. die Ablöse). In Höhe der Ablöse wird der Kaufpreis reduziert. Wenn man das ordentlich aufsetzt und eine sichere Reihenfolge einhält, haben alle Beteiligten Gewissheit: der Mieter, daß er Geld erhält; der Käufer, daß er eine Leerwohnung erhält; und der Verkäufer, daß er einen Kaufpreis wie für eine Leerwohnung erhält, abzüglich eines Abschlags, der aber deutlich geringer ist als der eines vermieteten Verkaufs.

Diese Lösung war in den von uns betreuten Fällen idR. nur möglich, weil dem Mieter durch das Gutachten begründet vor Augen stand, daß er die Wohnung nach Verkauf ohnehin nicht mehr lange wird nutzen können, und die Existenz eines Erwerbers mit Eigennutzungswunsch das dann auch tatsächlich sichtbar konkret gemacht hat. Die Annahme der Ablösezahlung gegen Umzug ist dann das kleinere Übel. Ohne Gutachten ist häufig der Umzug, mitunter verbunden mit einer höheren Miete in der neuen Wohnung, das größere Übel und der Wille des Mieters zur Aufrechterhaltung des Status quo ausgeprägt.

Was kostet das Eigenbedarfsgutachten?

Wenn ich nach Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis komme, daß eine Eigenbedarfskündigung möglich ist, erstelle ich ein Gutachten, in dem ich das im einzelnen darlege und belastbar begründe. Hierfür berechnen wir pauschal 1.490 Euro zzgl. USt.

Wenn ich bei der Prüfung der Unterlagen zu dem Ergebnis komme, daß eine Eigenbedarfskündigung gar nicht oder jedenfalls nicht innerhalb der nächsten 3 Jahre möglich ist, informiere ich den Mandanten und erstelle eine verkürzte rechtliche Einschätzung, welche die Gründe im einzelnen darlegt. Hierfür berechnen wir einen reduzierten Satz von pauschal 890 Euro zzgl. USt. Wenn der Mandant trotz der Information dennoch nicht nur eine verkürzte Darlegung, sondern ein vollständiges Gutachten wünscht, erstelle ich es, dann gilt der nicht reduzierte Satz. Die Entscheidung im Fall meiner negativen Einschätzung, ob es das eine oder das andere sein soll, trifft der Mandant nach Erhalt der Information über diese.

Welche Unterlagen benötigen wir zwecks Erstellung?

  • einen aktuellen Grundbuchauszug
  • den Mietvertrag nebst aller etwaigen Nachträge
  • eine Information darüber, ob besondere Härtegründe betreffend den Mieter bekannt sind oder in Betracht kommen (z.B. schwere Krankheiten, Behinderungen, hohes Alter, besondere Umstände)
  • die Erklärung, daß ein Eigenbedarfsgutachten erstellt werden soll, und eine Bestätigung des Pauschalhonorars in vorstehend genannter Höhe
  • wenn Sie uns als Makler kontaktieren: die Information, in wessen Auftrag die Prüfung erfolgen soll, sowie die Kontaktdaten des Eigentümers
  • alles, was aus Ihrer Sicht für die Beurteilung noch relevant sein könnte

Die Unterlagen und Erklärung senden Sie bitte per email an scheidacker@ikb-law.de. Wir werden dann zeitnah mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Wenn Sie Fragen hierzu haben oder sich im Vorfeld kurz mit mir abstimmen möchten, können Sie über mein Sekretariat gern einen Telefon- oder Zoom-Termin mit mir vereinbaren.