Vermietung ausgeschlossen!
Laut Guthmann Marktreport liegt der Median-Angebotspreis für Berliner Kaufimmobilien Stand 02.05.2022 bei etwa 5.370 Euro/qm. Bei 0,8% Zins und 2% Tilgung ließ sich so für 150,36 Euro/qm im Jahr = 12,53 Euro/qm monatlich eine Wohnung finanzieren. Eine 100qm-Wohnung kostete also eine monatliche Kreditrate von 1.253 Euro. Das Geld war relativ einfach zu bekommen, auch 100%-Finanzierungen waren möglich, und das Ergebnis war nicht so weit weg vom Berliner Mietspiegel, daß eine Vermietung rechnerisch ausgeschlossen gewesen wäre, jedenfalls für das untere Segment des Marktes.
Das hat sich in den letzten Wochen geändert, und zwar deutlich. Bei einer 80%-Finanzierung liegt der Zins momentan bei rund 3%, eine 100%-Finanzierung – wenn man sie überhaupt noch erhält – bei rund 4%. Das führt bei 2% Tilgung zu monatlichen Kreditkosten pro qm von 26,85 Euro. Eine Vermietung zu diesem Betrag ist ausgeschlossen, sie wäre ein reines Verlustgeschäft. Allenfalls im Neubau, wo die Mietpreisbremse nicht gilt, wäre das rechtlich überhaupt zulässig. Im Neubausegment ist der Median-Angebotspreis aber ein anderer, er liegt bei 8.110 Euro. Das führt zu monatlichen qm-Kreditkosten bei 4% Zins und 2% Tilgung von 40,55 Euro. Will man konservativer mit 4% tilgen, steigt das auf 54,07 Euro. Eine 100qm-Neubauwohnung kostet dann eine monatliche Kreditrate von 5.407 Euro.
Das hat eine Konsequenz: wer heute eine Wohnung in Berlin kauft, kann sie nicht vermieten oder vermietet lassen. Rechnerisch ist es einfach ausgeschlossen. Für die ganz großen Marktteilnehmer, die Wohnungspakete mit hohen Eigenmitteln und zu günstigeren qm-Durchschnittspreisen kaufen können, mag das noch anders sein. Denen wird aber permanent mitgeteilt, daß sie hier unerwünscht sind (heutiges Beispiel hier).
Folge der rechnerischen Unmöglichkeit einer Vermietung ist, daß sich Eigentumswohnungen nicht mehr zur Vermietung eignen, sondern nur noch zur Selbstnutzung. Wenn sie verkauft werden, sind sie als Kapitalanlage unattraktiv. Der Käufer wird selbst einziehen wollen, denn jemand anderes kauft sie nicht. Ein etwaiger Mieter muß dann ausziehen und es gibt eine Mietwohnung weniger in der Stadt. Der ausziehende Mieter muß freilich irgendwo wohnen. Entweder er zieht weg, oder der Druck auf den Wohnungsmarkt in der Stadt erhöht sich, was bedeutet, daß der Anreiz, eine Wohnung zu kaufen, wenn man nach Berlin zieht, nicht sinkt, sondern sich weiter erhöht. Wer nicht mieten kann, muß kaufen, andernfalls kann er hier nicht wohnen. Daß die Kaufpreise sinken, ist deshalb nicht zu erwarten.
Wie geht es weiter?
Das in den letzten Wochen rapide gestiegene Zinsniveau ist keine Berliner Spezialität, sondern gilt bundesweit. Das wird entsprechenden Druck auf sämtliche Wohnungsmärkte in allen Städten ausüben, Vermieten wird in ganz Deutschland unrentabler. Das kann sich nur auf drei Weisen ändern: durch steigende Mieten, durch sinkende Kaufpreise oder durch ein wieder sinkendes Zinsniveau.
Daß Kauf- oder Baupreise ausreichend stark sinken, ist eher nicht zu erwarten. Die Gründe sind vielfältig. Vor drei Wochen erzählte mir ein Bauträger-Mandant am Rande eines Gerichtstermins, daß sein aktueller Dachgeschoßausbau still steht. Der Grund ist, daß er seit Wochen im Großhandel keine Nägel bekommt. Nägel! Ein anderer Mandant erzählte mir vergleichbares mit Dachlatten. Lieferkettenprobleme, CO2-Preis, energetische Nachrüstpflichten für Dämmungen oder Heizung, Handwerkermangel, allgemeine Inflation, erhöhte Rechts- und Verwaltungskosten wegen der regulatorischen Rahmenbedingungen – all das macht es eher teurer als billiger. Sogar die öffentliche Hand kann nicht mehr zu vertretbaren Mieten bauen und diskutiert deshalb die Quersubventionierung durch den Bau und Verkauf von Eigentumswohnungen (siehe hier). Außerdem möchte niemand mit Verlust verkaufen, und die Nachfrage besteht ja weiterhin, nämlich bei allen, die wohnen wollen und nicht mieten können.
Daß die Mieten ausreichend steigen, halte ich für unwahrscheinlich. Die Politik fährt derzeit in die Gegenrichtung, und welcher durchschnittliche Mieter könnte sich auch eine Wohnungsmiete von 40 Euro/qm nettokalt zzgl. Betriebs- und Heizkosten leisten? Das ist mehr als viermal so hoch wie das mutmaßlich aktuelle Niveau. Bis es so weit ist, müßte Deutschland also erst einmal durch eine Inflation, die das allgemeine Preisniveau sowohl für Waren und Dienstleistungen als auch für Löhne mindestens vervierfacht.
Daß die Zinsen wieder unter 1% sinken, halte ich nicht für ausgeschlossen, und zwar dann, wenn der aktuelle Kurs zu große Verwerfungen bewirkt und die Geldpolitik erneut expansiv ausgerichtet wird. Für den Moment sehe ich das jedoch nicht.
Wenn alle drei Auswege nicht realistisch sind, ist am ehesten zu erwarten, daß es so bleibt, wie es momentan ist. Bei Verbraucherpreis-Inflationsraten um die 7 bis 8% wie aktuell werden die davongelaufenen Vermögenspreise in einigen Jahren vom allgemeinen Preisniveau eingeholt. Wenn allerdings auch die Vermögenspreise weiter steigen, der Abstand also bleibt, wird der Mietwohnungsmarkt im Zeitablauf kleiner.