Strukturänderungen im Immobilienmarkt: wie die Politik private Vermieter zum Verkauf veranlasst

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Vermietung als Kapitalanlage

Berlin ist eine Mieterstadt. 83% der Berliner wohnen in einer Mietwohnung. Das bedeutet, daß 83% der Berliner einen Vermieter haben. Deutschlandweit liegt die Quote bei 54%.

Mehr als die Hälfte aller Mietwohnungen, nämlich 60%, wird von Privatpersonen vermietet, der Rest von Gesellschaften und der öffentlichen Hand. Privatpersonen haben in der Regel keinen ausgedehnten Immobilienbesitz, sondern ein, zwei Eigentumswohnungen oder ein Mietshaus. Wenn es größer wird, werden schon aus steuerlichen Gründen häufig Kapitalgesellschaften gegründet und die Häuser dort eingebracht. Wenn die Statistik uns sagt, daß 60% der Mietwohnungen von Privatpersonen gehalten werden, dann bedeutet das, daß der deutsche Mietwohnungsmarkt zu einem überwiegenden Teil von Kleineigentümern getragen wird.

Die Motivation hierfür ist in der Regel Altersvorsorge. Schon seit 20 Jahren wissen wir mehr oder weniger, daß die gesetzliche Rente künftig allenfalls noch eine Grundsicherung darstellt, mehr aber nicht. Wer mit 40 genug Eigenkapital erarbeitet hat, um eine Wohnung oder ein Haus anzufinanzieren, kann hoffen, daß die Kredite mit Ruhestandseintritt so weit abbezahlt sind, daß ein Einkommen aus der Immobilie entsteht, das die Rente aufbessert. Die Rendite von Immobilien lag, abzüglich aller damit verbundenen Kosten für Betrieb und Instandhaltung, in der Vergangenheit über längere Zeiträume in etwa bei 4%. Aus 1.000 Euro Mieteinnahme blieben also 40 Euro für den Vermieter übrig. Die Rechnung stimmt natürlich nicht für jedes Gebäude und jede Situation: stellt ein Mieter seine Zahlungen ein und muß herausprozessiert, die Wohnung anschließend ggf. erst wieder neu hergerichtet werden, kann das die Rendite auf ein Jahrzehnt oder länger vernichten. Im Durchschnitt hat die Rechnung aber funktioniert.

zunehmende Regulierung zerstört die Kalkulation

Diese Rechnung wird seit einigen Jahren von externen Einflüssen gestört, namentlich einer zunehmenden Regulierung. Dabei erklärte die Politik jeweils, daß es sich um vorübergehende Maßnahmen wegen einer besonderen Ausnahmesituation handele. Anfangs wurde noch gewartet, bis man sich an den neuen Regulierungszustand gewöhnt hatte, bevor die Schraube eine Drehung weiter angezogen wurde. Mittlerweile hat sich das erheblich beschleunigt. Welche Effekte welche Eingriffe zur Folge haben, wird gar nicht mehr evaluiert. Es ginge wohl auch gar nicht mehr.

Den Beginn setzten das erste und zweite Wohnraumförderungsgesetz Anfang der 70er Jahre. Hier wurde die Befristung von Mietverträgen abgeschafft und ein Kündigungsschutz für Mieter eingeführt. Im Gegenzug erhielten Vermieter die Möglichkeit, im laufenden Mietverhältnis die Miete zu erhöhen, und zwar nach Modernisierung oder wenn das Marktniveau sich geändert hatte. Alsbald kam es zu einer Entkoppelung von Marktniveau und Bestandsmietveränderungen, als erst eine 30%ige, später eine 20%ige Kappungsgrenze alle 3 Jahre sowie ein fiktives Marktniveau durch Mietspiegel eingeführt wurden. Über zunehmend ausgefeilte „Steuerung“ der Mietspiegelstatistiken entstand ein Parallelniveau für Mietspiegelsmieten, das mit Neuvermietungsmieten kaum mehr etwas zu tun hatte. So weist der Mietspiegel 2019 für Berlin aus, daß wir eine Durchschnittsmiete von 6,72 Euro gehabt hätten. Wer in 2019 eine Wohnung in Berlin neu anmieten wollte, mußte aber eher mit 12 Euro aufwärts rechnen. Das Versprechen, daß Vermieter durch den Kündigungsschutz keinen Nachteil erleiden oder ihren Bestand zumindest angemessen angleichen können, war längst ausgehöhlt.

Hierdurch entstanden Ausweichbewegungen. Vermieter, die nur kurzfristige Verträge ermöglichten, hatten Vorteile, da sie jeweils neu zum Marktniveau vermieten konnten und damit nah an der Entwicklung blieben, während die anderen immer weiter abgeschlagen zurück blieben. Kurzfristverträge funktionieren am besten, wenn der Mieter selbst nicht lange bleiben will. So entstand ein wachsender Markt von Ferienapartments und möbliertem Wohnraum für Menschen in Zwischenstationen ihres Lebens. Berlin steuerte gegen und erließ im Jahr 2013 ein Zweckentfremdungsverbot. Die möblierte Vermietung an Feriengäste wurde verboten. Ebenso wurde Leerstand von anfangs mehr als sechs, später mehr als drei Monaten verboten, damit sich niemand entziehen kann.

Dieser Zwang zur Vermietung war ein wesentlicher Einschnitt. Bis dahin waren Eigentümer, abgesehen von wirtschaftlichen Zwängen, mehr oder weniger frei in der Entscheidung, ob und wann sie sich dem stark regulierten Wohnungsmarkt ausliefern wollten. Mit Einführung des ZwVbG Bln war die freie Entscheidung vorbei. Wer sich nicht daran hält, riskiert seit dem Bußgelder.

Der nächste wesentliche Einschnitt kam im Frühsommer 2015 mit der Mietpreisbremse. Nun waren die Eigentümer nicht nur dazu gezwungen, zu vermieten, sondern auch, das zu einem regulierten Preis zu tun, und zwar maximal 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete laut Mietspiegel. Da es sich beim Mietspiegel um ein fiktives Preisniveau handelt, welches mit dem tatsächlichen Marktniveau kaum mehr etwas gemein hat, führte das faktisch zu einem Zwang zur deutlich niedrigeren Bepreisung bei Neuvermietung als bisher. Das wiederum zerstörte alle Laissez-faire-Modelle, die bis dahin bei Privaten noch üblich waren. Viele Kleinvermieter hatten nämlich während des laufenden Mietverhältnisses nie erhöht, dafür bei dessen Ende im Folgevertrag eine adäquate Marktmiete vereinbart. Über die Zeit sparte man sich viel Streß und Prozesse und im Durchschnitt passten die Einnahmen. All diejenigen, die nie ihre Mieten erhöht hatten, hatten nun das Nachsehen, weil sie bei Neuvermietung trotzdem niedrig bleiben mußten und hierdurch die entspannte Handhabung der Vergangenheit nicht kompensieren durften. Vermieter, die ständig das Maximum ausgereizt hatten, waren hingegen im Vorteil, weil die Mietpreisbremse Bestandsschutz für das bisherige Mietniveau versprach: weniger als bisher mußte man nicht nehmen.

Zudem senkte die Mietpreisbremse die Mieterhöhungsmöglichkeiten von 20% auf 15% alle drei Jahre ab. In der Presse hielt sich das Mitleid in Grenzen, denn 15% alle drei Jahre ist ja immer noch viel. Daß diese Erhöhung zusätzlich durch die fiktiven Mietspiegelwerte gekappt war, so daß in vielen Fällen über 10 oder mehr Jahre gar nicht erhöht werden kann, blieb in der Öffentlichkeit hingegen häufig unerwähnt.

Die Politik versprach, daß die Mietpreisbremse nur 5 Jahre gelten werde, um Zeit zu haben, die besonders angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt durch massiven staatlichen und privaten Neubau zu beheben.

Die Mietpreisbremse hatte so starke wirtschaftliche Auswirkungen, daß sich viele Eigentümer nicht daran hielten. Die Hauskosten und die Handwerkerpreise stiegen ab 2015 überproportional, die Rendite der Häuser schmolz ab. Durch eine kritischere Mieterauswahl und vermehrte Umgehungsmodelle im Graubereich zwischen Zweckentfremdung und Langfristvermietung versuchten viele, die Vermietung als private Altersvorsorge aufrechtzuerhalten in der Hoffnung, daß das alles wie versprochen nur 5 Jahre währt und man danach zu den bisherigen Lösungen zurückkehren kann. Wenn Wohnungen frei wurden, wurden sie zudem häufiger als früher für viel (kreditfinanziertes) Geld aufwendig saniert, weil auch das einen Ausweg aus der Mietpreisbremse darstellte und eine anschließend bessere Vermietung erlaubte. Mit den teureren Wohnungen wurden die anderen Wohnungen quersubventioniert.

Dem schob das Land Berlin einen Riegel vor durch exzessive Anwendung einer nicht als Mieterschutz gemeinten Vorschrift aus dem öffentlichen Baurecht (§ 172 BauGB): besonders schützenswerte Gebiete können demnach unter einen Erhaltungs- oder Milieuschutz gestellt werden. Dort darf dann nicht modernisiert werden und auch die Aufteilung von Häusern in Wohneigentum ist eingeschränkt. Ein großer Teil Berlins steht heute unter diesem Schutz, so als wäre ein großer Teil Berlins besonders schützenswert und müßte deshalb auf einem bauzeitlichen Stand eingefroren werden. Hier wird das öffentliche Baurecht unverhohlen zweckentfremdet, was auf den Webseiten der Bezirke auch so kommuniziert wird: es geht der Politik nicht um den Schutz von Gebieten, sondern um den Schutz von Mietern vor ansonsten bestehenden Eigentümerrechten. Die fehlenden Balkone und der Substandard dieser Wohnungen macht sich zu Corona-Zeiten nun bemerkbar, wenn die Leute nicht mehr vor die Tür gehen dürfen.

Die Regeln zur Mietpreisbremse wurden zu Anfang 2019 verschärft. Seit dem müssen Vermieter bei Neuverträgen den Mietern offenlegen, wenn sie gegen die Mietpreisbremse verstoßen, so daß Umgehungen erschwert werden. Außerdem wurde die Modernisierungsumlage bei niedrigen Mieten auf 2, bei höheren Mieten auf 3 Euro für 6 Jahre abgesenkt. Zu dieser Zeit begann ein Rückgang der Baugenehmigungsanträge und umsichtige Eigentümer fingen an, ihre Häuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen. Das führte über das Jahr 2019 zu einer Diskussion über bundesweite Aufteilungsverbote, die im August 2019 von der großen Koalition beschlossen wurden, mittlerweile (März 2020) als Gesetzentwurf vorliegen und demnächst geltendes Recht werden. Außerdem begann Anfang 2019 eine Enteignungsdebatte in Berlin und die Diskussion über einen Mietendeckel.

Dieser wurde nach mehreren Lesungen und Änderungen tatsächlich beschlossen und ist seit Februar 2020 Gesetz. Er friert erst einmal die Mieten auf den Stand Juni 2019 ein und senkt zwischenzeitliche Änderungen wieder ab. Sofort für Neuvermietungen und ab Dezember 2020 für sämtliche Berliner Mietverhältnisse senkt das Gesetz flächendeckend alle Mieten in Berlin auf ein Niveau, wie es das zuletzt vor 15 Jahren gab. Die genaue Rechnung ist nicht nachvollziehbar, aber die Gesetzesbegründung erklärt, man habe sich am Mietspiegel 2013 orientiert. Dieser stützte sich auf die Werte von 2008 bis 2012. Neuvermietungswerte waren darin aber nur teilweise enthalten, die übrigen Werte waren die schon damals regulierten Mieten aus dem vorhandenen Bestand. Neben den Mieteingriffen implementiert das Mietendeckelgesetz einen so immensen Verwaltungsaufwand, daß die privaten Vermieter entweder erhebliche Rechtskosten aufwenden müssen, um zu verstehen, was von ihnen erwartet wird und was sie alles jetzt tun müssen, oder erhebliche zusätzliche Verwaltungskosten für ihre Fremdverwaltung aufbringen müssen, weil diese die Mehrarbeit ohne zusätzliche Ressourcen schlicht nicht leisten kann. Die Einahmen aus den Häusern werden durch das Gesetz also massiv heruntergefahren, während die Kosten explodieren.

Parallel zu der Diskussion um den Mietendeckel wurde auf Bundesebene eine erneute Verschärfung und Verlängerung der Mietpreisbremse um 5 Jahre beschlossen. Die Politik hatte in den vergangenen 5 Jahren nicht hinreichend dafür gesorgt, daß sich die Situation entspannt. Diejenigen Eigentümer, die bis dahin noch Vertrauen in eine Planbarkeit aufgrund politischer Versprechen hatten, wurden nun enttäuscht. Es ist klar: es geht so weiter. Dabei fiel ein weiterer beschlossener Eingriff in die Mietspiegelstatistik kaum noch ins Gewicht: künftig sollen Mietspiegel die Werte der letzten 6 statt 4 Jahre mitteln, was das fiktive Mietniveau im Mietspiegel noch weiter von dem tatsächlichen Mietniveau im Markt entfernt.

Während der Diskussion um den Berliner Mietendeckel trocknete der Angebotsmarkt für Mietwohnungen in Berlin aus. Leer werdende Wohnungen wurden zunehmend verkauft oder trotz Zweckentfremdungsverbot leer stehen gelassen, wenn der Eigentümer sie demnächst für sich, für Kinder oder Enkel oder andere Familienangehörige brauchen würde. Wer in Berlin etwas anmieten wollte, etwa weil er von außerhalb kam, sich der Platzbedarf änderte oder weil er aus seiner bisherigen Wohnung flog, hatte angesichts des nun kaum noch vorhandenen Angebots ein Problem. Aktuell ist es so, daß etwa fünfmal mehr Verkaufsangebote für Wohnungen in Immoscout stehen als Mietangebote, und das in einer Stadt, in der 80% der Wohnungen Mietwohnungen sind.

Nun ist es so, daß eine ganze Reihe von Mietern ihrerseits Eigentümer einer vermieteten Wohnung sind, aus Gründen der Altersvorsorge. Mangels Alternative stieg die Zahl der Eigenbedarfskündigungen solcher Mietverhältnisse in der zweiten Jahreshälfte 2019 bis heute konstant an. Zudem wurden und werden vermehrt vermietete Wohnungen gekauft mit dem Ziel, sie zwecks Eigennutzung freizukündigen, weil man anders in Berlin keine für sich passende Wohnung mehr findet. Das wiederum hatte Rufe aus der Politik zur Folge, das Recht auf Eigenbedarfskündigung auszuschließen oder jedenfalls massiv einzuschränken. Grüne, SPD und Linke haben das allesamt auf ihrer Agenda. Je nach Ergebnis der nächsten Bundestagswahl könnten solche weiteren Restriktionen sehr schnell Gesetz werden.

Corona: der letzte Impuls zum Verkauf

Als wäre das alle noch nicht genug, kommt jetzt ein Corona-Schutz für Mietverhältnisse: von April bis September 2020 brauchen Mieter keine Mieten mehr zahlen, das Kündigungsrecht für Vermieter bei solchen Rückständen wird abgeschafft, die Beweislast für den Nichtzusammenhang des Mietausfalls mit Corona soll beim Vermieter liegen. Nach Presseberichten ist vorgesehen, dieses Moratorium notfalls bis Juli 2021 zu verlängern. Über ein Jahr Mietausfälle also. Zugleich wird ein Darlehensmoratorium für Eigentümer-Vermieter eingeführt: auch die Banken dürfen ihre Kreditverträge solange nicht kündigen.

Nun sind Zins und Tilgung auf den Immobilienkredit nur ein Teil der laufenden Kosten. Eigentumswohnungen verpflichten zu laufenden Hausgeldzahlungen. Wenn in der Wohnung etwas kaputt geht, muß es repariert werden. Der Mieter verbraucht weiter Wasser, das Haus muß versichert bleiben. All diese Dinge werden nicht ausgesetzt. Der Vermieter muß sie weiter zahlen. Woher soll er das tun?

Ungeklärt ist, ob Vermieter, die durch das Mietenmoratorium ihr Einkommen verlieren, künftig Grundsicherung erhalten, damit sie was zu essen haben. Wird Vermögen angerechnet, d.h. müssen sie zunächst ihre Immobilie verkaufen, bevor sie anspruchsberechtigt sind? Und was ist mit all den Menschen, die von den laufenden Einnahmen der Vermieter leben, so deren Familien, studierende Kinder oder Enkel, Hausverwaltungen nebst ihrer Mitarbeiter, Hausmeistern, Handwerkern.

Der von mir sehr geschätzte Dr. Daniel Stelter hat ein Moratorium für die gesamte Wirtschaft vorgeschlagen, quasi ein Einfrieren von allem, vorfinanziert durch den Staat. Das Mietenmoratorium setzt davon einen Teil um – und damit am Ende gar nichts bzw. etwas völlig anderes. Die Last der Coronakrise wird hier einseitig bei den Banken und den Vermietern abgeladen.

Was ist noch so im Gespräch?

Die Mietpreisbremse ab 2015 und folgende Gesetzgebungen führten unter anderem dazu, daß die Lust an weiterer Gebäudedämmung in der letzten Zeit deutlich zurückgegangen ist. Über einen steigenden CO2-Preis, das Verbot einer Umlage dieser Kosten auf die Mieter und durch das Verbot von Ölheizungen, welches zum teuren Heizanlagentausch zwingt, sollen Eigentümer motiviert werden, weiter in Energiereduktion zu investieren. Der Anreiz ist hier nicht mehr die Möglichkeit, Geld zu verdienen, sondern steigende Kosten zu vermeiden, freilich durch Ausgeben von Geld.

Weiterhin im Gespräch ist der Wunsch der linken Parteien, die Umlage der Grundsteuer auf die Mieter in den Betriebskosten abzuschaffen. Den Gesetzentwurf der Grünen für das entsprechende „Grundsteuer-Entlastungsgesetz“ finden Sie hier. Hat man das erst einmal geschafft, kann die Grundsteuer auf Länderebene beliebig angehoben werden. In Berlin würden solche Steueranstiege den Großteil der Bevölkerung nicht treffen, nämlich die 83% Mieter.

Die Stadt Hamburg hat über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative eingebracht, wonach Mieterhöhungsmöglichkeiten von 15% auf 10% abgesenkt werden sollen. Eine Schonfristzahlung soll auch fristgemäße Kündigungen heilen.

Es gibt etliche, inhaltlich noch deutlich weitergehende Anträge aus dem linken und grünen Parteienspektrum, über die ich hier schon berichtet hatte.

Die Lehren für die Praxis

Was bedeutet all das nun für den langfristigen Investor? Für den Altersvorsorger? Für den privaten Kapitalanleger?

Ohne Corona war der erreichte Stand, daß derjenige, der eine Wohnimmobilie besitzt, die er nicht selbst nutzt, gezwungen ist sie zu vermieten, und zwar zu Preisen von vor 15 Jahren, bei exorbitant von der Politik erhöhten Verwaltungskosten und viel höheren Unterhaltungs- und Instandhaltungskosten als damals. Der Kauf einer Immobilie zu Vermietungszwecken birgt damit das Risiko wirtschaftlichen Selbstmords, jedenfalls für all diejenigen, die das nicht tun, um Negativzinsen auf ihr Eigenkapital zu vermeiden, sondern privat ihr Vermögen zu vermehren, um im Alter davon zu leben.

Mit Corona ist der Stand nun, daß diese Mietpreise ohnehin nur noch fiktiv gelten und der Mieter in der nächsten Zeit gar nichts mehr zahlen muß, wenn er behauptet, er habe epidemiebedingt zu wenig Geld.

Des weiteren ist aktueller Stand, daß das Aufteilungsverbot kommen wird. Eigentümer von Mehrfamilienhäusern können diese dann nur noch an solche Interessenten verkaufen, die sie nicht wegen der Rendite erwerben. Ohne einen solchen Käufer bleiben die Eigentümer darauf sitzen und dürfen sinkende Einnahmen bei steigenden Kosten schultern. Wer seine Immobilie stückchenweise als Eigentumswohnung verkaufen kann, wird hingegen auf jede Menge Interessenten treffen, die selbst einziehen wollen. Ich hatte bereits im August 2019 hier empfohlen, noch nicht aufgeteilte Gebäude nun zeitnah aufzuteilen, um die Möglichkeit des Verkaufs offen zu halten, selbst wenn man aktuell keinen Verkauf beabsichtigt. Ich meine weiterhin, daß sich der Wunsch, den Kostenfaktor vermietete Immobilie loszuwerden, bei manch einem privaten Eigentümer schneller einstellen dürfte, als er heute absieht.

Schließlich ist aktueller Stand, daß die Vermietung von möblierten Wohnungen in Berlin zu Mietendeckel- und Zweckentfremdungszeiten nicht länger gut funktioniert. Es gibt zwar die Portale weiterhin und darin auch Angebote. Bußgelddrohungen von bis zu 500.000 Euro je Wohnung und Monat und eine gesetzliche Sanktionsfreiheit bei Nichtzahlung von Mieten stellen das Risiko jedoch außer Verhältnis zum Nutzen.

Etliche private Eigentümer kommen derzeit zu dem Schluß, daß nun Zeit ist, vermietete Objekte zu verkaufen.

Das gilt zumindest im Berliner Markt unabhängig davon, ob es sich um ein Mietshaus oder eine Eigentumswohnung handelt. Das Modell Vermietung als Kapitalanlage ist mittlerweile nicht nur unattraktiv, sondern auch rechtlich und politisch stark risikobehaftet.

Überlegen Sie allein, was zu bedenken ist, wenn Sie aktuell eine leere Wohnung haben und die vermieten wollen:

  • Die Mietregularien zwingen Sie zu juristischen Klimmzügen und einem enormen formalen Aufwand. Fehler können Bußgelder bis 500.000 Euro auslösen.
  • Mieterhöhungen sind auf die nächsten 10 Jahre höchstwahrscheinlich nicht durchführbar, da es ab 2021 weder einen Mietspiegel geben wird noch das lokale Mietrecht Ihnen eine Anpassung erlaubt.
  • Parallel dazu fluten sämtliche großen Notenbanken dieser Welt die Märkte mit Geld in bislang ungekannten Größenordnungen. Zugleich ist mit einer Reduzierung des Warenangebots zu rechnen, was die Preise treiben wird (Beispiel hier). Was ist Ihre Miete, die Sie heute vereinbaren, in einem Jahr noch wert?

Die großen Fonds und Objektgesellschaften, zumal internationale mit einer Diversifikation ihrer Standorte über verschiedene Märkte und Rechtssysteme hinweg, halten das besser durch als der private Kleineigentümer in Berlin. Reduzierter Cashflow in solchen Gesellschaften trifft primär die Anleger, die Kurse und Dividenden mögen temporär sinken. Die Bestände müssen deswegen jedoch nicht abverkauft werden.

Viele kleine Eigentümer haben sich hingegen inzwischen zum Verkauf entschlossen oder tun das gerade. Entsprechend ändert sich der Inhalt der Beratungen in meiner Praxis seit einiger Zeit, weg von Mietrechtsfragen hin zu solchen, die den Verkauf oder den Kauf für eine selbstgenutzte Einheit betreffen.

Das führt zu einer Strukturveränderung im Immobilienmarkt. Der Mietmarkt reduziert sich, der Anteil der Großeigentümer am verbleibenden Mietmarkt steigt. Die Privatpersonen steigen aus der Vermietung aus. Der Anteil der selbst bewohnten (und nicht mehr vermieteten) Eigentumswohnungen steigt. Letzteres ist eine aus meiner Sicht gesunde Entwicklung, weil sie die Bevölkerung in Summe gegen Krisen stabilisiert. Zugleich wird sie die Wählerpräferenzen verändern und damit längerfristig auch die politischen Strukturen. Vorerst jedoch ist es nachteilig, weil mehr Mieter als sonst wegen Eigenbedarfs ihre Wohnung verlieren und dann keine neue Wohnung zur Anmietung mehr finden.

Ist der Zeitpunkt für einen Verkauf günstig?

Wenn jetzt alle gleichzeitig verkaufen wollen, sollte man annehmen, daß es die Preise drückt. Ich höre gegenteiliges. Der Grund ist, daß die Nachfrage so hoch ist, daß nicht über den Preis verkauft wird, sondern über das Objekt selbst, d.h. ob es zum Bedarf des jeweiligen Interessenten passt. Es sind mehr Interessenten auf der Suche, als passende Objekte vorhanden, so daß der Meistbietende es erhält. Da es sich um eine strukturelle Ursache handelt, die ihren Grund in der Politik und in fehlendem Angebot im Mietmarkt hat, wird sich das vermutlich so schnell nicht ändern.

Empfehlung: Verkauf nur mit Makler

Wenn Sie als privater Eigentümer verkaufen wollen, empfehle ich, daß Sie die Dienste eines Maklers in Anspruch nehmen, dem Sie vertrauen und der den Markt kennt. Wer zu niedrig anbietet, verschenkt Geld, wer zu hoch anbietet, hat keine Interessenten, muß den Preis senken und gerät vielleicht in eine Abwärtsspirale, weil alle Beobachter darauf warten, daß der Preis noch weiter fällt. Außerdem haben Sie nur durch einen Makler eine professionelle Vermarktung und mit dieser obendrein keinen Aufwand.

Wer noch keinen Makler in Berlin hat: rufen Sie Michaela Beer an (www.immosiv.de), ich habe von allen an sie empfohlenen Kunden bislang nur begeisterte Rückmeldungen erhalten.

Was tun Sie mit dem Geld?

Diese Frage habe ich in der letzten Zeit vielen Mandanten gestellt.

Vermietete Immobilien sind eine Kapitalanlage. Es ist nicht wichtig, daß Sie sie jeden Tag sehen können. Sie kann auch im Ausland sein. Diejenigen, die auch künftig in Immobilien investiert sein wollen, überlegen, ob sie Österreich attraktiv finden. Die Kaufnebenkosten sind geringer als in Deutschland, das Mietrecht schützt neben dem Mieter auch den Eigentümer, die politische Situation läßt erwarten, daß das auch so bleibt, und man spricht deutsch, d.h. man versteht sowohl Dokumente als auch seine Mieter.

Einige haben geantwortet, daß sie ihr Geld in Großbritannien investieren werden, weil man sich dort eine unabhängige und stabilere Entwicklung erwartet als in der EU und vor allem keine Haftungsvergemeinschaftung für die Staatsschulden der Südländer. Denn um diese zu bezahlen, fürchten einige einen Zugriff auf innereuropäisches Immobilienvermögen, zum Beispiel durch Zwangshypotheken oder Lastenausgleichsabgaben.

Eine nicht unerhebliche Zahl von Mandanten antwortet schließlich: Gold.