Jahressteuergesetz 2022 – steigende Schenkungssteuer bei Übertragungen ab 01.01.2023

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Focus, Wirtschaftswoche, Finanzen100, Börse Online, aber auch Sparkassen und Verbände wie Haus & Grund brachten vor ein paar Tagen das Jahressteuergesetz 2022 in die Schlagzeilen. Der journalistische Tenor lautet, daß sich ab nächstem Jahr die steuerliche Bewertung von Immobilien ändert, was deutlich höhere Steuern auf das Verschenken und Vererben von Immobilien auslösen kann.

Nachfolgend erörtere ich, was genau dran ist an den Nachrichten, für welche Fälle das gilt und ob durch eine Schenkung noch in diesem Jahr eine steuerliche Mehrbelastung vermieden werden kann.

1. die rechtliche Grundlage

Wer es ganz genau wissen will, kann sich den Gesetzentwurf unter der BT-Drucks. Nr. 20/3870 ansehen. Verständlich in dem Sinne, daß man erkennt, was er genau bedeutet, ist er nur für Experten, über mehrere Seiten sieht es aus wie im Bild oben zu diesem Blogbeitrag. Um seinen Sinn zu erfassen, muß sich der normale Bürger auf Sekundärliteratur, d.h. Stellungnahmen solcher Experten, verlassen.

So ging es wohl auch den Abgeordneten, welche den Entwurf am 14. Oktober 2022 in erster Lesung beraten haben. Dem Bericht hierüber, welcher auf der Seite des Deutschen Bundestags eingestellt ist, ist mit keinem Wort zu entnehmen, daß seine Umsetzung die Schenkungs- und Erbschaftssteuer auf Immobilien erhöht. Die FDP lobt ihn als „sozial ausgewogen und ökonomisch klug“ und spricht davon, daß er „einen ganzen Strauß von wichtigen Entlastungsmaßnahmen“ enthalte, „der den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land zugute kommen wird“. Nach Problembewußtsein klingt das nicht und da Finanz- wie auch Justizministerium FDP-geführt sind, besteht wenig Anlaß zur Sorge, das Gegenteil zu erwarten.

Steigen wir etwas tiefer ein. Auf Seite 2 Anstrich 7 findet sich der Hinweis, daß die „Vorschriften der Grundbesitzbewertung“ angepasst werden sollen. Konkret soll das sog. Bewertungsgesetz an die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2021 (ImmoWertV) angepasst werden. Umgesetzt wird das dann auf Seiten 25 bis 35 mit einem eigenen Artikel, der sich der „Änderung des Bewertungsgesetzes“ widmet. Die steuerliche Bewertung bebauter Grundstücke, d.h. Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser, Gewerbeimmobilien etc., wird mit den neuen Regeln näher an die Wertermittlung der Gutachterausschüsse und damit an die aktuellen Verkehrswerte gekoppelt. In Zeiten deutlich gestiegener Immobilienpreise hat das deutlich höhere Bewertungen zur Folge, welche wiederum der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie Grunderwerbsteuer zugrunde liegen werden.

Der Sache nach ist das folgerichtig: möchte man Vermögen (durch Grundsteuern) oder die unentgeltliche Übertragung von Vermögen (durch Erbschaften und Schenkungen) besteuern, muß man bemessen, welchen Wert das Vermögen hat. Das BVerfG entschied im Jahr 2018 (1 BvL 11/14 u.a.), daß hierbei realitätsnahe Werte zu verwenden sind. Möchte man bei steigenden Bewertungen die Steuern nicht erhöhen, muß man die Sätze senken. Bei der Grundsteuer wurde das ausführlich diskutiert und Aufkommensneutralität versprochen. Für die Erbschafts- und Schenkungssteuer scheint das weder geplant, noch wird es wahrnehmbar politisch erörtert.

Noch ist das Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschlossen. Da sich aber sämtliche Koalitionspartner lobend geäußert haben, ist mit großen Änderungen nicht mehr zu rechnen. Das Inkrafttreten ist zum 01.01.2023 geplant.

2. Was bedeutet das für die Schenkungs- und Erbschaftssteuer?

Erben und Schenken wird steuerlich im wesentlichen gleich betrachtet. Es gibt je nach Verwandtschaftsgrad/Nähebeziehung drei Steuerklassen, unterschiedliche Freibeträge und unterschiedliche Steuersätze:

Steuerklassen nach § 15 ErbStG

Steuerfreibeträge nach § 16 ErbStG

Steuersätze nach § 19 ErbStG

Rechenbeispiel: wenn Sie Ihrem Ehegatten eine Mietwohnung mit einem Wert von 550.000 Euro schenken, sind 500.000 Euro steuerfrei. Die weiteren 50.000 Euro werden mit 7% besteuert, die Steuer beträgt 3.500 Euro. Bei Schenkung an Ihre Tochter oder Ihren Sohn sind 400.000 Euro steuerfrei, die weiteren 150.000 Euro werden mit 11% versteuert, die Steuer beträgt 16.500 Euro. Verschenken Sie die gleiche Wohnung Ihrem Bruder, sind 20.000 Euro steuerfrei und 530.000 Euro werden mit 25% besteuert, die Steuer beträgt 132.500 Euro.

Steigt nun der Immobilienwert, erhöht sich die Steuer aus zwei Gründen: zum einen liegt ein höherer Wert über dem Freibetrag und wird besteuert, zum anderen steigt der Prozentsatz der Steuer bei Überschreiten der in der Tabelle genannten Schwellenwerte. Ist die vorgenannte Wohnung bspw. nicht mehr mit 550.000 Euro anzusetzen, sondern mit 800.000 Euro, versteuert Ihr Ehegatte 300.000 Euro zu einem Steuersatz von 11% = 33.000 Euro. Das ist das 9,5fache der bisherigen Steuer. Ihr Kind versteuert 400.000 Euro zu einem Steuersatz von 15%, die Steuer beträgt 60.000 Euro. Das sind 43.500 Euro mehr und das 3,6fache der alten Regeln. Ihr Bruder versteuert 780.000 Euro zu einem Prozentsatz von 30%, die Steuer beträgt dann 234.000 Euro. Das sind 101.500 Euro oder 77% mehr.

Ist eine solche massive Steigerung der Immobilienwerte durch die geänderten Regeln realistisch? Sibylle Barent, Leiterin Steuer- und Finanzpolitik beim Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland, hat gegenüber der „ Wirtschaftswoche “ erklärt, daß eine Steigerung von 20 bis 30% leicht zusammenkommt und es bei einigen Objekten sogar zu einer Verdoppelung kommen kann (siehe hier).

Ob und in welchem Umfang die geänderten Bewertungsregeln ab 01.01.2023 zu höheren Ansätzen führen, sollten Sie im Bedarfsfall mit Ihrem Steuerberater durchrechnen. Ergibt sich dabei, daß die Steuerbelastung massiv steigt, und beabsichtigen Sie eine Übertragung an Kinder oder andere Familienangehörige, ist die Überlegung naheliegend, durch eine Übertragung in 2022 die alten Werte noch zu nutzen. Aber geht das überhaupt?

3. Kann man die bisherigen (niedrigeren) Sätze dieses Jahr noch nutzen?

Diese Frage adressiert den Zeitpunkt, zu dem die Steuer anfällt. Der Vorgang einer Grundstücksschenkung dauert eine Weile. Rechtlich ist eine Schenkung ein Vertrag. Bezieht er sich auf eine Immobilie, ist notarielle Beurkundung erforderlich. Anschließend muß das vom Notar beim Grundbuchamt eingereicht und vom Grundbuchbeamten im Grundbuch umgeschrieben werden. Wenn die Umschreibung erst im nächsten Jahr stattfindet, stellt sich die Frage, an welchen Vorgang dieser Kette die Steuer anknüpft – wäre es die Grundbuchumschreibung, wäre Ihnen bei aller Eile mglw. jetzt schon nicht mehr geholfen.

§ 9 ErbStG bestimmt, daß die Steuer bei Schenkungen unter Lebenden „mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung“ entsteht. Ausgeführt ist die Schenkung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, „wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken“ (BFH II R 52/02, II R 16/06). Das ist gegeben, wenn die Auflassung erklärt und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch von dem Berechtigten, d.h. dem Schenker, bewilligt worden ist. Diese beiden Erklärungen sind regelmäßig im notariellen Übertragungsvertrag enthalten, was bedeutet, daß die Steuer im Zeitpunkt der notariellen Beurkundung des Vertrags entsteht.

Übertragungen zu den bisherigen steuerlichen Regeln sind daher durch notarielle Beurkundung noch bis Ende diesen Jahres möglich.