Mieterschutz bei Umwandlungen

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Wenn ein Investor ein Haus kauft, um es in Eigentumswohnungen umzuwandeln, bekommen die Mieter häufig Angst vor Verdrängung oder Mietanstieg. Abwehrreflexe erwachen, Klassenkampfstimmung kommt auf, mitunter nimmt sich sogar die Lokalpolitik des Falles an (siehe hier).

Dabei sieht das Gesetz für solche Fälle einen besonderen, zusätzlichen Mieterschutz vor, der so ausgestaltet ist, daß die Situation für die Mieter eigentlich vorteilhaft ist. Nachstehend möchte ich das etwas beleuchten.

1. gesetzliches Vorkaufsrecht des Mieters

Wird nach Mietvertragsabschluß das Haus in Wohnungseigentum umgewandelt, dann haben Mieter kraft Gesetzes ein Vorkaufsrecht, wenn ihre Wohnung verkauft wird, § 577 BGB. Das funktioniert so, daß der Mieter der verkauften Wohnung vom Notar darüber informiert wird, daß seine Wohnung an einen Dritten verkauft worden ist, verbunden mit der Belehrung darüber, daß er ein Vorkaufsrecht hat und es innerhalb von 2 Monaten ausüben kann. Wenn der Mieter erklärt, daß er das Vorkaufsrecht ausübt, dann tritt er an Stelle des Käufers in den Kaufvertrag ein. Für den bisherigen Käufer ist das natürlich übel, er fliegt aus dem Vertrag und seine Finanzierung muß er mglw. trotzdem erfüllen, da hat er sich bei seiner Bank hoffentlich ein Rückabwicklungsrecht vorbehalten. Für den Mieter ist das hingegen ein außerordentlicher Vorteil: er bekommt die Wohnung zum endverhandelten Marktpreis, kennt die Konditionen des Vertrags und hat 2 Monate lang Zeit, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen.

Hinter dem Rücken des Mieters kann seine Wohnung also nicht verkauft werden, er hat das garantierte Recht auf Vorrang vor allen anderen.

Das gilt nur für den ersten Verkaufsfall nach Umwandlung, d.h. in genau derjenigen Situation, die als so prekär empfunden wird. Mieter, die in eine schon als Eigentumswohnung bestehende Wohnung einziehen, haben ein solches Vorkaufsrecht nicht, und Mieter, deren Häuser nicht umgewandelt werden, natürlich auch nicht.

2. 1o-jähriger Kündigungsschutz gegen Eigenbedarf

Auch in Mietshäusern kommt es gelegentlich vor, daß einer der Mieter wegen Eigenbedarfs des Vermieters oder eines seiner Familienangehörigen gekündigt wird. Das ist aber nicht der Normalfall, üblicherweise dienen Mietshäuser als Einkommen des Vermieters, das durch eine Selbstnutzung möglichst nicht reduziert werden sollte. Wenn der Eigentümer sich zu einer solchen Kündigung entschließt, dann ist der Mieter einer von vielen, dessen Wohnung in Betracht kommt, d.h. das Risiko, daß es ihn erwischt und nicht jemand anderen, ist verhältnismäßig reduziert.

Bei einer Eigentumswohnung ist das anders, häufig ist sie die einzige Immobilie ihres Eigentümers. Auch werden Eigentumswohnungen häufig gerade zum Zwecke der Selbstnutzung gekauft. Das Risiko einer Kündigung erhöht sich durch eine Umwandlung also deutlich.

Dieses Problem kompensiert das Gesetz durch einen erweiterten Kündigungsschutz: die ersten 3 Jahre nach Erstverkauf kann nicht wegen Eigenbedarfs gekündigt werden, § 577a BGB. Die jeweilige Gemeinde kann die Frist auf bis zu 10 Jahre verlängern. Berlin hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht (KündigungsschutzklauselVO, siehe auch hier). Der neue Eigentümer/Vermieter muß also 10 Jahre warten, bevor er wegen Eigenbedarfs kündigen kann. Nach einer so langen Zeit gilt mindestens eine 9monatige Kündigungsfrist, § 573c BGB, d.h. der frühestmögliche Zeitpunkt, zu dem der Vermieter den Vertrag wegen einer gewollten Eigennutzung beenden kann, liegt 10 Jahre und 9 Monate nach seiner grundbuchlichen Einschreibung als Eigentümer. Diese Frist setzt sich bei späteren Weiterverkäufen fort, d.h. wenn der Erstkäufer die Wohnung nach 4 Jahren weiter veräußert, muß der neue Eigentümer auch noch 6 Jahre und 9 Monate warten. Erst 10 Jahre nach der Umwandlung und dem ersten Weiterverkauf endet dieser besondere Kündigungsschutz und es gelten wieder die normalen gesetzlichen Regeln.

Andere Mieter sind nicht in dieser Weise geschützt, d.h. die Umwandlung bringt dem einzelnen Mieter hier einen handfesten rechtlichen Vorteil.

3. Auswirkungen in der Praxis

Was passiert also, wenn ein Investor ein Mietshaus kauft, um es in Eigentumswohnungen aufzuteilen und weiterzuverkaufen? Der Mieter erhält die einmalige Chance, seine Wohnung zum aktuellen Marktpreis selbst zu kaufen und sich so aus der Abhängigkeit des Mieterdaseins zu befreien, ohne umziehen zu müssen. Wenn er das nicht will oder nicht kann, erhält er eine mehr als 10-jährige Sonderstellung und kann nicht regulär, wegen Eigenbedarfs, gekündigt werden.

Der Marktpreis, zu dem er seine Wohnung kaufen kann, ist übrigens reduziert. Denn wegen des 10-jährigen Kündigungsschutzes ist die Wohnung nur für Kapitalanleger interessant, nicht aber für Menschen, die eine Wohnung suchen, um selbst einzuziehen. Der Kreis der potentiellen Interessenten ist also auf den Teil, der Kapital anlegen will, reduziert.

Das, was mögliche Käufer zu zahlen bereit sind, ist bei diesem Teil geringer. Selbstnutzer zahlen, was es ihnen wert ist, dort selbst zu wohnen, während Kapitalanleger nur so viel investieren, daß aus der Miete der Kredit und das Hausgeld bedient werden können, andernfalls wäre die Investition ein dauerhaftes Verlustgeschäft. Der Mieter, der sein Vorkaufsrecht ausübt, wird deshalb idR. Konditionen übernehmen, aus denen er den Kredit und das Hausgeld mit seiner Miete bedienen kann – so eben, wie es ein Kapitalanleger getan hätte.

4. der große Reibach

Um die Differenz zwischen Selbstnutzer-Preis und Kapitalanleger-Preis zu schließen, bieten Investoren den Mietern häufig an, sie aus der Wohnung herauszukaufen. Tatsächlich werden hier mitunter immense Beträge gezahlt. Je nach dem, was sich der Investor leisten kann, erhalten Mieter zwischen 150 und 500 Euro pro qm Wohnfläche angeboten, wenn sie den Mietvertrag aufgeben und ausziehen. Dieser goldene Handschlag reicht vielleicht, um das Eigenkapital und die Kaufnebenkosten aufzubringen, die man braucht, um woanders eine Eigentumswohnung anzufinanzieren. Plötzlich findet sich der Mieter dann auf der anderen Seite wieder und ist selbst zum Käufer einer Wohnung geworden.

Es kann den Mietern nach alledem kaum etwas besseres passieren, als daß ein Investor ihr Haus kauft und in Eigentumswohnungen umwandeln will. Daß man das verhindern sollte, ob durch Ausweisung von Milieuschutzgebieten oder durch städtische Vorkaufsrechte, liegt nicht unbedingt auf der Hand.

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