Woher kommt die „Modernisierungsumlage“?
Derzeit beträgt die Modernisierungsumlage 11% jährlich der auf die Wohnung aufgewendeten Kosten, § 559 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift wurde im Jahr 2002 eingeführt, allerdings ist sie nicht neu. Bereits zuvor galt nahezu wortgetreu das gleiche, es stand nur nicht im BGB, sondern im sogenannten Miethöhegesetz (§ 3 MHG). Dieses wurde im Jahr 1974 eingeführt und sah anfangs eine Modernisierungsumlage von 14% vor, die man später, während der Laufzeit des Gesetzes, auf 11% reduzierte. Rechtlicher Rahmen für die Einführung des Miethöhegesetzes war damals das sogenannte Zweite Wohnraumkündigungsschutzgesetz. Im Jahr 1971 hatte man ein erstes Wohnraumkündigungsschutzgesetz erlassen, das bis Dezember 1974 befristet war. Es hatte nach Ansicht des Gesetzgebers zu einer Beruhigung im Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern sowohl hinsichtlich der Mieterhöhungen als auch der Rechtsstreitigkeiten geführt. Der mit diesem Gesetz erreichte Schutz des Mieters vor willkürlichen Kündigungen und unberechtigten Mieterhöhungen sollte nicht entfallen, sondern wegen der überragenden Bedeutung der Wohnung als Lebensmittelpunkt dauerhaft ausgestaltet werden.
Wenn man allerdings die jederzeitige Kündigungsbefugnis des Vermieters gesetzlich abschafft, muß man sich Gedanken darüber machen, nach welchen Regeln die Miete im Laufe des zwangsweise endlosen Mietverhältnisses angepasst werden soll. Der Gesetzgeber entschied 1974, daß marktorientierte Mieterhöhungen zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit des Hausbesitzes möglich sein müssen. Vor diesem Hintergrund erschien es praktikabel, die verschiedenen Mieterhöhungsmöglichkeiten in einem eigenen Miethöhegesetz zusammenzufassen. Dieses regelte denn auch die Anpassung an die ortsübliche Vergleichsmiete (ohne Kappungsgrenze!), die Mieterhöhung wegen gestiegener Betriebskosten und eben die Umlage von Modernisierungskosten (von jährlich 14%).
Im Jahr 1973 lagen die Hypothekenzinsen bei 10jähriger Zinsfestschreibung bei rund 11,5%. Sie fielen bis 1977 auf rund 6%, um dann bis 1981 wieder auf den vorherigen Wert von 11,5% anzusteigen. Seit dem geht es mit den üblichen Ausschlägen, die Kursgrafiken so haben, abwärts bis auf das heutige Niveau von rund 1,5%. Eine recht anschauliche Grafik findet man hier.
Bei Einführung der Modernisierungsumlage im Jahr 1974 lagen die 14% also nicht sehr weit über dem, was der Vermieter seinerseits als Zins der Bank zahlen mußte. Die Differenz lag bei rund 2,5%, ein ziemlich knapper Puffer für die Tilgung, etwaige Zinserhöhungen und für Mietausfälle mit der Modernisierungsumlage. Das ist heute anders, die Differenz liegt bei aktuell 9,5%. Eine Absenkung ist so gesehen durchaus gerechtfertigt.
Wie hoch ist sie „real“?
Allerdings muß man bedenken, daß der Vermieter längst nicht die vollen 11% erhält. Unsere heutige gesetzliche Regelung sieht vielfache Ausnahmen vor.
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- Zum einen sind „Kosten für Erhaltungsmaßnahmen, die erforderlich gewesen wären“, abzuziehen. Man kann sich trefflich darüber streiten, ob etwas erforderlich gewesen wäre und was es gekostet hätte, meist führt das zu Kompromissen am Ende von ein oder zwei gerichtlichen Instanzen.
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- Zum zweiten sind nicht alle energetischen Modernisierungen umlegbar (Endenergieersparnis ja, Primärenergieersparnis nein).
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- Sodann ist die Umlage ausgeschlossen, wenn sie beim Mieter zu einer finanziellen Härte führt. Das ist nach der Rechtsprechung dann der Fall, wenn die neue Miete einen ungefähren Grenzwert von 30-40% des Haushaltseinkommens des Mieters übersteigt. Dabei wird nicht berücksichtigt, ob der Mieter allein in einer 5-Zimmer-Altbauwohnung wohnt. Des weiteren hat der Vermieter regelmäßig Schwierigkeiten, Behauptungen des Mieters über sein Haushaltseinkommen zu prüfen und ggf. zu widerlegen. Unterhaltszahlungen des Exgatten für sich oder Kinder, Kindergeld, Kapitaleinkünfte, ggf. eigene Mieteinnahmen des Mieters aus anderen Objekten und insgesamt eine gute Vermögenssituation bleiben im Dunkeln, wenn der Mieter nur eine Gehaltsabrechnung vorlegt und behauptet, das sei alles. Wir erfahren in Prozessen gelegentlich durch Zufälle, daß die Angaben eines Mieters nicht unbedingt vollständig und wahrheitsgemäß waren; meist bleibt solcherlei verborgen. Immer hat dieser Punkt jedoch ein gehöriges Mißtrauen zur Folge, was ganz generell nicht gut ist für eine langfristige Vertragsbeziehung.
- Schließlich sind Modernisierungsumlagen komplett ausgeschlossen, wenn der einzelne Mietvertrag eine Staffelmiete vorsieht, und nahezu komplett bei einer Indexmiete.
Am Ende führt das alles ebenfalls zu Kompromissen, mitunter kann der Vermieter die Modernisierungsumlage gar nicht durchsetzen. Das kann namentlich dann der Fall sein, wenn er von der Maßnahme nicht absehen kann, weil sie das ganze Haus betrifft. Die neue Heizanlage wird nicht deswegen abgesagt, weil 5 von 13 Mietern ganz und weitere 4 teilweise aus der ModUmlage fallen, denn nach der aktuellen gesetzlichen Lage funktioniert das ganze wahrscheinlich trotzdem. Eine Modernisierungsumlage von 11% bei 100%iger Umlage auf alle Mieter wird aus Vermietersicht zu einer Modernisierungsumlage von 5,5% bei 100%iger Umlage auf die Hälfte der Mieter und zu einer Modernisierungsumlage von 3,85% bei 70%iger Umlage auf die Hälfte der Mieter. Zieht man dann noch nicht umlagefähige Prozeßkosten für die eine oder andere Duldungsklage und den einen oder anderen Mieterhöhungsprozeß ab, bleibt noch ein Puffer von vielleicht 1,5 bis 2% für die Tilgung. Das ist zwar knapp, aber machbar, und vielleicht ist der Ausfall aus den oben genannten Gründen nicht ganz so hoch und es rechnet sich sogar etwas besser. Vor diesem Hintergrund sind Vermieter tatsächlich bereit, Kredite aufzunehmen und den Bestand baulich zu aktualisieren.
Sondierungspapier der GroKo
Das Sondierungspapier der künftigen GroKo-Partner teilt auf Seite 23 mit, daß Modernisierungen nicht zu unverhältnismäßigen Mieterhöhungen führen sollen. Deshalb
„werden wir die Modernisierungsumlage mit Blick auf die gesunkenen Zinsen absenken und an den Zinsverlauf anpassen.“
Damit das eine nennenswerte Wirkung hat, wird das keine Absenkung von 1% sein, sondern eine deutliche. Im Entwurf zum 2. MietNovG, das in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr zustande kam, hatte das Bundesjustizministerium eine Absenkung auf 8% vorgeschlagen. In etwa auf so etwas müssen wir uns vermutlich einstellen. Der Puffer für die oben geschilderten Nichtumlage-Anteile der Gesamtkosten wird sich erheblich reduzieren. Das erhöht den Druck von Vermietern, die Modernisierungskosten haben, einen größeren Teil der Kosten gegenüber einem größeren Teil der Mieter tatsächlich durchzusetzen. Vereinbarungen über Modernisierungsumlagen, in denen der Vermieter auf Umlagebeträge verzichtet, um Abläufe zu beschleunigen oder seine Mieter nicht zu sehr zu belasten, werden dadurch schwieriger. Der eine oder andere Vermieter wird von Modernisierungen absehen, weil ihm das Risiko zu hoch ist. Hier streiten die Prioritäten miteinander: aus Kostensicht mag das gut sein, aus übergeordneter Sicht für die energetische Qualität des Gebäudebestands und die Wohnqualität eher nicht.
Wieso hat es dann früher bei einer geringeren Zinsdifferenz funktioniert? Weil der Ausnahmekatalog nicht so umfangreich war und die vorhandenen Ausnahmetatbestände zudem sehr viel seltener griffen. Zudem waren die Baukosten deutlich geringer, es gab noch keine EnEV-Vorgaben etc. Das Risiko war also zum einen kalkulierbarer und zum anderen finanziell einfach niedriger.
In technischer Hinsicht fällt die doppelte Aktivitätsabsicht im Sondierungspapier auf: einerseits eine „Absenkung“, andererseits und zusätzlich aber auch eine „Anpassung an den Zinsverlauf“. Letzteres bedingt eine Kopplung an eine veränderliche Zinsgröße, bspw. den Basiszins. Die Umlage könnte dann ähnlich wie der Verzugszins 5% über Basiszins betragen. Allerdings müßte man dann regeln, welcher Zeitpunkt für die Berechnung maßgeblich sein soll. Der bei Ankündigung der Modernisierung an die Mieter? Das wird in etwa das Zinsniveau sein, das der Vermieter zahlen muß, weil er ja die Maßnahme vor ihrem Beginn organisiert. Allerdings können Duldungsklagen mitunter einige Jahre dauern, eine Maßnahme kann sich aus baulichen Gründen erheblich verzögern, mitunter brauchen auch die Behörden sehr viel länger als gedacht, um erforderliche Genehmigungen zu erteilen. In der Zwischenzeit fallen Bereitstellungszinsen an, das ganze muß prolongiert werden, am Ende ist die Maßnahme dann doch ganz anders finanziert als ursprünglich gedacht. Das kann es also nicht sein.
Ein nächster möglicher Anknüpfungspunkt wäre der Zeitpunkt der Abrechnung gegenüber dem Mieter. Das kann einige Jahre nach der Modernisierungsankündigung sein, die Zinsen sind hier mglw. ganz andere. Wenn man aber an den späteren Zeitpunkt ankoppelt, dann ist die Maßnahme in der Planungsphase unkalkulierbar, weil die künftige Zinsentwicklung ja unbekannt ist. Das würde jegliche Modernisierungen effektiv verhindern. Das kann auch nicht sein.
So oder so: bis die Sondierungsgespräche in Koalitionsverhandlungen übergegangen, diese abgeschlossen sind, die neue Regierung gebildet, ein Gesetz entworfen, die Stellungnahme der Verbände eingeholt, das ganze im Parlament und im Bundesrat beraten und beschlossen und schließlich in Kraft getreten ist, vergehen vermutlich zwei Jahre. Wenn Sie geplant haben, zu modernisieren, wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, wenn Sie noch die 11%ige Umlage in Anspruch nehmen wollen.
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