Interview mit Bernd Tibes

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Herr Tibes, Sie sind Architekt und Vorsitzender des Ausschusses „Gesetze, Normen, Verordnungen“ der Architektenkammer Berlin. Was genau macht dieser Ausschuß?

Der Ausschuss beschäftigt sich mit Gesetzen und Verordnungen zur Arbeit von Architekten, Stadtplanern, Innen- und Landschaftsarchitekten, die im Land Berlin Gültigkeit haben oder bekommen sollen. Er beschäftigt sich weiterhin mit technischen Normen im Bereich des Bauwesens. Er ist ein beratendes Gremium für den Vorstand der Architektenkammer, bezogen auf die genannten Themen

Beschränkt sich die Arbeit zu rechtlichen Veränderungen auf die Stellungnahme bei Konsultationen, oder regen Sie auch selbst Änderungen an?

Wir tun beides.

Wie sehen Sie die aktuelle baurechtliche Situation in Berlin? Was sind die größten Probleme?

Die unterschiedliche Anwendung landesweit gültiger Regeln in den einzelnen Bezirken und der Mangel an qualifiziertem Fachpersonal in den Genehmigungsbehörden.

Was genau muß ich mir darunter vorstellen? Bitte geben Sie uns ein praktisches Beispiel.

Das Bauordnungsrecht ist ein Gesetz des Landes Berlin, gilt also landesweit in jedem Bezirk. Baugenehmigungen aufgrund dieses Gesetzes werden von den einzelnen Bezirken erteilt. Anwendungsregeln und Ermessensspielräume werden aber je Bezirk unterschiedlich ausgelegt, Beispiel außenliegende Spindeltreppen als zweiter Fluchtweg. In manchen Bezirken kein Problem, in anderen sehr wohl.

Früher gab es eine sog. Amtsleiterrunde, die regelmäßig getagt hat, die Tagungsprotokolle waren öffentlich. Da wurden Anwendungsregeln abgestimmt und jeder wusste Bescheid. Abgeschafft!

Wie könnte man das verbessern?

Mit Personalaufstockung und verstärkter Abstimmung.

Wie lange dauern Baugenehmigungen derzeit in etwa und durch welche politischen Ansätze könnte man das aus Ihrer Sicht beschleunigen?

Mindestens drei Monate, abhängig von Bezirk und Projekt. Prüfverfahren verkürzen, evtl. auch durch die Einbindung externer Fachleute wie z.B. beim Prüfstatiker üblich. Wie wäre es mit einem „Prüfarchitekten“? All das nützt aber nichts, wenn der politische Wille fehlt.

Woran machen Sie fest, daß der politische Wille fehlt? In der Zeitung lesen wir fast jeden Tag, daß mehr gebaut werden soll.

Es gibt wie immer durchaus einen Unterschied zwischen öffentlichem Reden und tatsächlichem Handeln. Das tatsächliche Handeln wird aber ganz offensichtlich von abweichenden Eigeninteressen der Bezirke (z.B. fehlende Infrastruktur), Ablehnung privater Investoren durch Teile des Senats, verstärkte Partizipation (Beteiligung der Öffentlichkeit an Genehmigungsentscheidungen) bestimmt. Wenn Partizipation im wesentlichen als Beteiligung unmittelbarer Nachbarn verstanden wird, wird es z.B. mit Verdichtung äußerst schwierig.

Was fällt Ihnen zum Stichwort „urbane Gebiete“ ein?

Ein guter Ansatz, Verdichtung und Nutzungsmischung zu fördern. Dadurch können städtebauliche Ziele in dieser Richtung, die ich grundsätzlich befürworte,  unterstützt werden. Allerdings hapert es noch bei der Anwendung.

Was denken Sie über die vermehrte Ausweisung von Milieuschutzgebieten? Welche Erfahrungen machen Sie mit ihnen?

Der derzeitige Trend auf dem Berliner Wohnungsmarkt zeigt erhebliche Mietsteigerungen und als Folge auch Verdrängung. Wohnen in der Innenstadt wird zum Luxusgut. Dadurch sinkt die Lebendigkeit in der Stadt oder einem bestimmten Quartier, weil die schon beschriebene Nutzungsmischung verloren geht. Bemühungen dagegen sind daher grundsätzlich sinnvoll. Regulatorische Eingriffe führen aber in den seltensten Fällen zum Erfolg, weil man nicht dauerhaft Veränderungen verhindern kann. Hier hilft nur bauen, bauen, bauen, und zwar in der richtigen Mischung!

Auf landespolitischer Ebene wird vorgeschlagen, neuen Wohnraum auch dadurch zu schaffen, daß das Stadtgebiet durch Baulückenschließung und Dachgeschoßausbauten weiter verdichtet wird. Auf der bezirklichen Ebene heißt es hingegen, daß das nicht gewünscht ist, weil die zugehörige Versorgung mit Kitas, Schulen, medizinischen Einrichtungen etc. fehlt. Wie lösen Sie diesen Konflikt in der täglichen Praxis?

Wir Architekten können diesen Konflikt nicht lösen. Dazu gehört ein breiter politischer Wille, das Wachstum der Stadt zu wollen und dann auch zu befördern. Eine wachsende Bevölkerung braucht eben auch wachsende Wohnfolgeeinrichtungen!

Was könnte man wohnungspolitisch aus Ihrer Sicht verbessern? Und wie sollte man das konkret umsetzen?

An sich sind die notwendigen Instrumente, außer finanzieller Förderung, vorhanden. Sie müssen nur angewendet werden. Finanzielle Förderung bedeutet auch nicht nur, die Kasse zu öffnen. Wie wäre es z.B. mit kostengünstiger Abgabe landeseigener Grundstücke, oder Erbbaurechtsverhältnissen?

Herr Tibes, haben Sie vielen Dank, daß Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.

Das Interview fand am 8. Februar 2018 statt, die Fragen stellte RA Tobias Scheidacker.

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