Heute ist der 1. Januar 2019, der erste Tag des wieder einmal geänderten Mietrechts. Was für die Mieter ein Mehr an Rechten bedeutet, ist für die Vermieter ein Mehr an Einschränkungen und Pflichten. Worum es dabei genau geht, werde ich nachstehend genauer beleuchten.
Teil 1 – Verschärfung mietpreisbremsender Vorschriften (nachstehend)
Teil 2 – neues kompliziertes „vereinfachtes Verfahren“ bei Kleinmodernisierungen
Teil 3 – Schadensersatz und Bußgeld bei „verdrängender Modernisierung“
Teil 4 – Übergangsregelungen und Fazit
I. Zahlen und Fakten
Zunächst möchte ich einige Statistiken voranstellen. Die Zahl der Mietprozesse ist im letzten statistisch schon ausgewerteten Jahr 2017 erneut, auf jetzt noch rund 227.000 Fälle, gesunken (so berichtet die „Zeit“ hier). Das ist ein Rückgang von etwa einem Drittel in 20 Jahren. Wer sich nicht aus Zeitungsberichten, sondern aus Originalquellen informieren möchte, findet immerhin die Zahlen bis 2016 im Statistischen Jahrbuch 2018 des Statistischen Bundesamtes, dort Seite 316 (gebundene Fassung hier, nur für Berlin hier). Für uns Anwälte ist das natürlich prekär: im gleichen Zeitraum, in dem die Fallzahlen ein Drittel zurück gegangen sind, hat sich die Zahl der bundesweit zugelassenen Anwälte von rund 74.000 auf rund 164.000 mehr als verdoppelt (siehe hier).
Umfragen unter Mietern zeigen eine gewachsene Zufriedenheit mit ihrem Vermieter und ihrer Wohnsituation. Solche Zahlen werden von der Presse nicht unkommentiert veröffentlicht. So meint die Morgenpost, daß Mieter nur „aus Angst“ zufrieden sind, siehe hier. Ostdeutsche haben ein Gefühl für Oxymorone, so wie „Friedenspanzer“ oder „antifaschistischer Schutzwall“ mit Stacheldraht nur nach innen. „Zufriedenheit aus Angst“ ist so einer.
Auch die privaten Vermieter kommen zurecht: in rund zwei Dritteln der Mietverhältnisse gab es seit Vertragsbeginn keine Mieterhöhung, mehr als ein Viertel der Vermieter erhöht die Miete unabhängig von der Vertragsdauer nie (siehe die hier verlinkte Broschüre auf Seite 5).
Zusammengefasst: Mieter und Vermieter sind offenbar entspannter als seit Jahrzehnten, und wenn es doch einmal ein Problem gibt, treffen sie auf eine überdimensionierte Versorgung mit Rechtsdienstleistungen, die (wegen der im Mietrecht streng reduzierten Streitwerte) auch noch nicht einmal besonders teuer ist.
Auf diese Lage trifft nun das Mietrechtsanpassungsgesetz. Den Gesetzentwurf zur BT-Drucksache 19/4672 der Bundesregierung nebst amtlicher Begründung finden Sie hier. Es wurde am 21.12.2018 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (Materialien dazu auf den Webseiten des Mietgerichtstags). Damit ist es heute in Kraft getreten. Den genauen Wortlaut der Änderungen finden Sie hier.
II. Änderungen zur Mietpreisbremse
Zunächst gibt es zur Mietpreisbremse in § 556g BGB eine Ergänzung, nämlich einen neuen Absatz 1a und zwei Änderungen in den Folgeabsätzen. Bislang lautete die Vorschrift:
§ 556g Rechtsfolgen; Auskunft über die Miete
(1) Eine zum Nachteil des Mieters von den Vorschriften dieses Unterkapitels abweichende Vereinbarung ist unwirksam. Für Vereinbarungen über die Miethöhe bei Mietbeginn gilt dies nur, soweit die zulässige Miete überschritten wird. Der Vermieter hat dem Mieter zu viel gezahlte Miete nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herauszugeben. Die §§ 814 und 817 Satz 2 sind nicht anzuwenden.
(2) Der Mieter kann von dem Vermieter eine nach den §§ 556d und 556e nicht geschuldete Miete nur zurückverlangen, wenn er einen Verstoß gegen die Vorschriften dieses Unterkapitels gerügt hat und die zurückverlangte Miete nach Zugang der Rüge fällig geworden ist. Die Rüge muss die Tatsachen enthalten, auf denen die Beanstandung der vereinbarten Miete beruht.
(3) Der Vermieter ist auf Verlangen des Mieters verpflichtet, Auskunft über diejenigen Tatsachen zu erteilen, die für die Zulässigkeit der vereinbarten Miete nach den Vorschriften dieses Unterkapitels maßgeblich sind, soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann. Für die Auskunft über Modernisierungsmaßnahmen (§ 556e Absatz 2) gilt § 559b Absatz 1 Satz 2 und 3 entsprechend.
(4) Sämtliche Erklärungen nach den Absätzen 2 und 3 bedürfen der Textform.
Nach dieser Mechanik war eine überhöhte Anfangsmiete zwar unwirksam. Der Mieter konnte aber nur zurückverlangen, was er nach einer sog. „qualifizierten Rüge“ zu viel gezahlt hat. Alles andere durfte der Vermieter behalten. Es konnte also sein, daß eine überhöhte Miete dauerhaft galt, nämlich dann, wenn der Mieter nie rügte. Wir haben oben an der Statistik gesehen, daß die Zahl der Mietprozesse – trotz dieser neuen Streitpotentiale – stetig und stark zurückgeht. Auch in meiner Anwaltspraxis blieb die Zahl der Mieter, die unzufrieden waren und ihre Miethöhe rügten, sehr niedrig. Die Vorschriften kamen also selten zur Anwendung.
Ab sofort gilt nun ergänzend Absatz 1a mit dem folgenden Inhalt:
(1a) Soweit die Zulässigkeit der Miete auf § 556e oder § 556f beruht, ist der Vermieter verpflichtet, dem Mieter vor dessen Abgabe der Vertragserklärung über Folgendes unaufgefordert Auskunft zu erteilen:
1. im Fall des § 556e Absatz 1 darüber, wie hoch die Vormiete ein Jahr vor Beendigung des Vormietverhältnisses war,
2. im Fall des § 556e Absatz 2 darüber, dass in den letzten drei Jahren vor Beginn des Mietverhältnisses Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden,
3. im Fall des § 556f Satz 1 darüber, dass die Wohnung nach dem 1. Oktober 2014 erstmals genutzt und vermietet wurde,
4. im Fall des § 556f Satz 2 darüber, dass es sich um die erste Vermietung nach umfassender Modernisierung handelt.
Soweit der Vermieter die Auskunft nicht erteilt hat, kann er sich nicht auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete berufen. Hat der Vermieter die Auskunft nicht erteilt und hat er diese in der vorgeschriebenen Form nachgeholt, kann er sich erst zwei Jahre nach Nachholung der Auskunft auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete berufen. Hat der Vermieter die Auskunft nicht in der vorgeschriebenen Form erteilt, so kann er sich auf eine nach § 556e oder § 556f zulässige Miete erst dann berufen, wenn er die Auskunft in der vorgeschriebenen Form nachgeholt hat.
Das bedeutet, daß jede von Gesetzes wegen erlaubte Überschreitung der zulässigen Anfangsmiete vom Vermieter nun unaufgefordert begründet werden muß, und zwar vor der Unterschrift des Mieters unter den Mietvertrag. Unterbleibt die Aufklärung, entsteht ein temporäres Durchsetzungshindernis für den Vermieter hinsichtlich der Differenz, auf die sich die Aufklärung hätte beziehen müssen. Wenn der Vermieter die Auskunft nachholt, entsteht eine Karenzzeit von 2 Jahren, während dieser die Miete immer noch einredebehaftet ist, d.h. vom Mieter nicht gezahlt werden muß. Nach Ablauf der 2 Jahre endet die Einrede und der Vermieter kann sich wieder darauf berufen, daß die Miete (von Anfang an) zulässig war.
Verständlich wird das an einem Beispiel. Nehmen wir an, der Mietspiegel sieht einen qm-Preis von 8 Euro nettokalt vor. Dann darf man ohne weitere Ausnahmen oder Erklärungen für maximal 8,80 Euro neu vermieten.
Mehr darf man nehmen, wenn eine von vier gesetzlichen Ausnahmen vorliegen:
- auch der vorherige Mieter hat zulässigerweise schon mehr gezahlt,
- der Vermieter hat die Wohnung in der Zwischenzeit modernisiert,
- die Wohnung ist ein Neubau nach Oktober 2014 (dann gilt die Mietpreisbremse gar nicht) oder
- die Wohnung ist umfassend saniert, also wie ein Neubau. Dann gilt die Mietpreisbremse auch nicht.
Die Ausnahmen sollen gewährleisten, daß überhaupt noch Mietwohnungsbau und Modernisierung stattfindet und daß der Vermieter nicht schlechter gestellt wird als bisher – die Mietpreisbremse soll kein Vermögen vernichten, sondern den Status Quo sichern und starke Preisentwicklungen „ausbremsen“, mehr nicht.
Neu ist also nun, daß der Vermieter ungefragt vor Vertragsunterschrift des Mieters erklären muß, daß und welche der vier Ausnahmen vorliegt. Ansonsten kann er sich vorübergehend nicht darauf berufen. Das bedeutet natürlich, daß bei jeder Neuvermietung entsprechender Einwertungs- und Ermittlungsaufwand entsteht. Freilich muß der Mieter, wenn er dann rügt, diese Erläuterungen in seine Rüge mit einbeziehen.
Nicht geändert hat sich, daß der Mieter rügen muß und daß der Vermieter unzulässige Mieten vor der Rüge behalten darf.
III. Änderungen zur Modernisierungsumlage
Die Modernisierungsumlage wurde von 11% auf 8% jährlich abgesenkt. Das entspricht der Entwicklung der Hypothekenzinsen, welche in den 70er Jahren bei teils über 11% lagen und mittlerweile auf unter 2% abgesunken sind. Freilich wird man über eine Wiederanhebung nachdenken müssen, wenn sich die Zinsentwicklung der Hypothekendarlehen nachhaltig umkehrt. Die Forderung nach einer weiteren Absenkung unter 8% jährliche Umlage hinaus hat sich nicht durchgesetzt und wäre angesichts der vielfachen Ausnahmen von einer Umlage, die Mieter für sich heute in Anspruch nehmen können, auch zu einer Modernisierungsbremse geworden. Aus dem gleichen Grund konnte sich auch die Forderung nach einer gänzlichen Abschaffung der Umlage nicht durchsetzen.
Allerdings wurde auch im Modernisierungsrecht ein weiteres Element einer Preisbremse eingeführt. In § 559 BGB gibt es nun einen neuen Absatz 3a mit dem Wortlaut:
(3a) Bei Erhöhungen der jährlichen Miete nach Absatz 1 darf sich die monatliche Miete innerhalb von sechs Jahren, von Erhöhungen nach § 558 oder § 560 abgesehen, nicht um mehr als 3 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen. Beträgt die monatliche Miete vor der Mieterhöhung weniger als 7 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, so darf sie sich abweichend von Satz 1 nicht um mehr als 2 Euro je Quadratmeter Wohnfläche erhöhen.
3 Euro pro qm monatlich sind 36 Euro/qm im Jahr. Bei 8% Umlageanteil ist das ein Investitionsvolumen von 450 Euro/qm. Bei 2 Euro/qm beträgt das maximal umlagefähige Investitionsvolumen 300 Euro/qm. Die Kappung gilt (wiederholt) für eine Zeitspanne von 6 Jahren. Umfassende Sanierungen werden künftig also nicht mehr möglich sein, wenn man sie vollständig umlegen will, wohl aber – auch wesentliche – Substanzverbesserungen an einzelnen Teilen eines Gebäudes bzw. einer Wohnung. Ob sich das angesichts der Kapazitätsengpässe in der Bauwirtschaft auf diese durchschlägt, wird man abwarten müssen.
Nach den Übergangsvorschriften des Gesetzes gelten die neuen Regelungen für alle Modernisierungen, die nach dem 31.12.2018 angekündigt werden. Für schon geplante und bis gestern angekündigte Vorhaben bleibt es beim alten Recht, also den vollen 11% ohne Kappung auf 2 oder 3 Euro/qm.
Die weiteren Vorschriften
- zur vereinfachten Modernisierungsankündigung,
- zur Modernisierungspflicht,
- zur Änderung des WiStraG und
- zu den Übergangsvorschriften im einzelnen
sehen wir uns in den nächsten Tagen an.
3 comments