relevante Zeitpunkte bei einer Eigenbedarfskündigung
Bei einer Eigenbedarfskündigung gibt es diverse rechtlich relevante Zeitpunkte.
- Der erste ist der Moment, in dem die Kündigung ausgesprochen wird. Damit sie wirksam ist, muß in diesem Moment tatsächlich Eigenbedarf und eine Selbstnutzungsabsicht vorliegen. Ist das nicht der Fall, ist die Kündigung unbegründet, andernfalls ist sie begründet.
- Der nächste Zeitpunkt ist der letzte Tag des Monats zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist. Bis hierhin muß der Mieter etwaige Härtegründe vorgetragen haben, andernfalls werden sie nicht berücksichtigt – auch wenn sie vorliegen.
- Sodann der Tag, an dem die Kündigungsfrist abläuft. Hier muß der Mieter (eigentlich) die Wohnung geräumt an den Vermieter zurückgeben. Tut er das nicht, schuldet er ab dem Folgetag Nutzungsausfall in marktüblicher Höhe.
- Schließlich der Tag, an dem der Mieter die Wohnung tatsächlich zurückgibt. Wenn die Parteien heftig miteinander prozessieren, kann das mitunter Monate oder auch Jahre nach Fristablauf sein.
Wegfall des Grundes während der Kündigungsfrist
Die Kündigung ist begründet, wenn in dem Moment, in dem sie erklärt wird, der Eigenbedarf vorliegt. Bis die Kündigungsfrist abläuft, geht freilich noch einige Zeit ins Land – mindestens 3, je nach Vertrag bis zu 12 Monate später. Wenn nun während dieser Zeit der Eigenbedarf entfällt, haben wir eine wirksame Kündigung, aber bei Wohnungsrückgabe keinen Eigenbedarf mehr. Der Mieter muß ausziehen, der Vermieter könnte sofort neu vermieten. Das fühlt sich nicht richtig an.
LG Berlin 67 S 9/18
Demgemäß entspricht es ständiger Rechtsprechung, diese Situation über Treu und Glauben zu korrigieren: man akzeptiert zwar, daß die Kündigung den Vertrag zum Ablauf der Frist beendet. Der Vermieter darf sich darauf aber nicht berufen, wenn er bei Fristablauf de facto keinen Eigenbedarf mehr hat.
So entschied es das LG Berlin aktuell wieder zu o.g. Aktenzeichen. Die Wohnung gehörte einer auswärtigen Stuntfrau, die nach Berlin ziehen und hier arbeiten und sich beruflich weiterentwickeln wollte. Sie kündigte wegen Eigenbedarfs. Kurz danach hatte sie einen Unfall, der ihre Planung auf unabsehbare Zeit verhinderte. Der Mieter wandte ein, daß er ja nun wohnen bleiben könne, sie brauche die Wohnung ja nun doch nicht.
Das LG Berlin gab dem Mieter recht. Der Vermieter handele rechtsmissbräuchlich, wenn er den auf eine Eigenbedarfskündigung gestützten Räumungsanspruch weiterverfolgt, obwohl sein zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs noch hinreichend verdichteter Eigennutzungswunsch im Moment des Ablaufs der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen ist. An einer solchen fortgesetzten Absicht fehlte es, nachdem die weitere private und berufliche Zukunft der Klägerin aufgrund ihres Unfalls und der damit im Zusammenhang stehenden physischen und psychischen Folgebeeinträchtigungen bis weit über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus auf unabsehbare Zeit ungewiss geworden sei.
Der Mieter konnte deshalb nach Treu und Glauben die Fortsetzung des Mietvertrags verlangen.
Wegfall des Grundes nach Ablauf der Kündigungsfrist
Wäre der Unfall erst nach Ablauf der Kündigungsfrist geschehen, hätte sich der Mieter hingegen nicht mehr auf Treu und Glauben berufen können. Denn dann hätte er die Wohnung ja zum Fristende zurückgeben müssen. Tut er das nicht, verhält er sich selbst nicht rechtstreu. Dann kann ihm daraus kein Vorteil erwachsen.
Entwicklungen nach Ablauf der Kündigungsfrist sind also nicht relevant. Wenn der Eigenbedarf des Vermieters dann erst entfällt, kann er den Räumungsprozeß weiterführen und die Wohnung anschließend nahtlos weitervermieten, ohne daß ihm daraus ein Vorwurf zu machen ist.
Buchempfehlung
(als Taschenbuch hier, als ebook nachstehend:)