BVerfG: Reform der Grundsteuer

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In den letzten Tagen ging durch die Presse, daß die aktuelle gesetzliche Regelung der Grundsteuer vom Bundesverfassungsgericht geprüft wird. Die Qualität und Seriosität der Berichterstattung ist dabei höchst unterschiedlich. Ich möchte das an diesem Beispiel illustrieren. Es ist die Webseite von n-tv und auf ihr schreibt ein Hannes Vogel einen immerhin recht langen, also vermutlich gut recherchierten und durchdachten Bericht.  Am Ende des Textes ist kurz erläutert, wer Hannes Vogel ist, nämlich „Autor im Ressort Wirtschaft bei n-tv.de in Berlin. Er schreibt über Wirtschaftskriminalität, Lobbyismus, Euro-Krise und was sonst noch passiert, wenn Staat und Firmen aufeinandertreffen.“ Im Impressum der Webseite ist er als Mitglied der Redaktion im Bereich „Wirtschaft“ gelistet. Man denkt, so jemand sollte sich auskennen.

Hannes Vogel schreibt, daß die jetzige Grundsteuerregelung ungerecht sei, denn

„… faktisch privilegiert das jetzige System Vermögende massiv: Sie müssen auf ihren Grundbesitz weniger Steuern zahlen, weil die Grundstückswerte vor mehr als einem halben Jahrhundert eingefroren wurden. Wer mit Aktien oder anderen Wertpapieren für die Rente vorsorgt, zahlt dagegen Steuern auf den Marktwert im Hier und Jetzt. Und wer zur Miete wohnt, muss trotzdem von seinem jetzigen Gehaltsscheck Steuern ans Finanzamt abdrücken. Diese Ungerechtigkeit monieren die Verfassungsrichter zu Recht.“

Das ist schon auf den ersten Blick Unsinn. Aber der Reihe nach:

Aussage 1: Wer mit Aktien oder anderen Wertpapieren für die Rente vorsorgt, zahlt Steuern auf den Marktwert im Hier und Jetzt.

Richtig ist: wer Aktien besitzt, zahlt darauf keine Steuern. Steuern zahlt man dann, wenn man 1) entweder Aktien kauft und verkauft und dabei Gewinn macht (hier wird der Gewinn aus dem Aktienhandel besteuert), oder 2) wenn man Aktien kauft und behält und dann aus ihnen Erträge erzielt (Dividenden, hier wird der Ertrag besteuert). Das ist bei Grundbesitz freilich ganz genau so: bei Grundstückshandel zahlt man Steuern auf den Veräußerungsgewinn, bei Mieterträgen zahlt man Steuern auf die Gewinne aus Vermietung und Verpachtung. Mit der Grundsteuer auf Grundbesitz hat das alles nichts zu tun.

Aussage 2: Wer zur Miete wohnt, muss trotzdem von seinem jetzigen Gehaltsscheck Steuern ans Finanzamt abdrücken.

Richtig ist: ja, wer Gehaltsschecks bekommt, zahlt Einkommensteuer. Das ist ganz unabhängig davon, ob man zur Miete wohnt. Auch wenn man (z.B. bei den Eltern) umsonst wohnt oder in einer Eigentumswohnung oder in einer eigenen Villa, zahlt man Einkommenssteuer auf sein Gehalt bzw. Einkommen. Mit der Grundsteuer auf Grundbesitz hat das ebenfalls nichts zu tun.

Aussage 3: Diese Ungerechtigkeit monieren die Verfassungsrichter zu Recht.

Richtig ist: nein, das tun sie nicht. Denn die von Herrn Vogel hier identifizierten Ungerechtigkeiten gibt es nicht, wie meine vorstehenden dünnen Ausführungen zu der Thematik bereits zeigen.

Das Bundesverfassungsgericht betreibt eine kostenlos zugängliche, öffentliche Webseite, auf welcher es seine Entscheidungen, Pressemitteilungen, Ankündigungen von mündlichen Verhandlungen etc. einstellt, die Ankündigung der mündlichen Verhandlung am 16.01.2018 über das Grundsteuerverfahren zum Beispiel hier. Darin hat das Gericht mitgeteilt:

„Einheitswerte für Grundbesitz werden nach den Vorschriften des Bewertungsgesetzes noch heute auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 1. Januar 1964 ermittelt und bilden die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer.

1. Der Bundesfinanzhof hält in seinen Anträgen auf konkrete Normenkontrolle die Einheitsbewertung des Grundvermögens wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ab dem Bewertungsstichtag 1. Januar 2008 für verfassungswidrig.

Aufgrund der Systematik der Bewertungsvorschriften komme es bei der Feststellung der Einheitswerte zu gleichheitswidrigen Wertverzerrungen. Hauptursache hierfür sei, dass aufgrund der Rückanknüpfung der Wertverhältnisse die seit 1964 eingetretenen tiefgreifenden Veränderungen im Gebäudebestand sowie auf dem Immobilienmarkt nicht in die Bewertung mit einbezogen würden. Die Entwicklung des Bauwesens nach Bauart, Bauweise, Konstruktion und Objektgröße bleibe ebenso unberücksichtigt wie die wesentlichen Ausstattungsmerkmale einer Vielzahl von Gebäuden und Wohnungen. Gleiches gelte für städtebauliche Entwicklungen und Veränderungen am Wohnungsmarkt sowie für nach dem 1. Januar 1964 eingeführte Maßnahmen zur Wohnraumförderung. Eine Wertminderung wegen Alters für Gebäude unterschiedlichen Baujahrs sei durch die Festschreibung der Wertverhältnisse ebenfalls ausgeschlossen. Die weitreichenden Wertverzerrungen würden schließlich durch Defizite im Gesetzesvollzug noch deutlich verstärkt.

2. Auch mit den vorliegenden Verfassungsbeschwerden machen die Beschwerdeführer im Kern die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 3 Abs. 1 GG geltend.

Wie der Bundesfinanzhof sehen sie eine erhebliche Ungleichbehandlung bei der Einheitsbewertung infolge der seit 1964 eingetretenen Wertverzerrungen, aber auch in der Anwendung zweier unterschiedlicher Verfahren zur Bewertung von Grundstücken (Ertragswertverfahren und Sachwertverfahren).“

Moniert wird also, daß Grundstücke unterschiedlich und nach veralteten Maßstäben bewertet werden, was die steuerliche Belastung des Grundbesitzes so unterschiedlich ausfallen läßt, daß das gegen das Recht der Grundbesitzer untereinander auf staatliche Gleichbehandlung verstößt. Mit einer Gruppenbildung „Grundbesitzer contra andere Besitzer“ hat das nichts zu tun.

Wollte man eine solche Gruppenbildung jedoch thematisieren, wäre es genau umgekehrt zu den Annahmen von Herrn Vogel. Die Grundsteuer ist die einzige deutsche Steuer, die auf das Eigentum von etwas erhoben wird. Sie fällt unabhängig davon an, ob mit dem Grundbesitz ein Ertrag erzielt wird oder erzielt werden könnte. Sie besteuert den Bestand eines Vermögenswerts. Weder der Besitz von Aktien noch von Geld noch von anderen Sachwerten wird in dieser Form besteuert. Grund mag sein, daß man Grundbesitz nicht verstecken und ihn auch nicht außer Landes schaffen kann, der Besteuerung also ohne mögliche Gegenwehr ausgeliefert ist. Allerdings stellt sich hier durchaus die Gerechtigkeitsfrage, ob es korrekt ist, eine Form von Eigentum in der Substanz zu besteuern und andere Formen nicht. Des weiteren stellt sich die Frage, ob es nicht eine unzulässige Doppelbesteuerung ist, die Substanz eines Vermögenswerts zu besteuern, der aus bereits versteuertem Einkommen irgendwann einmal angeschafft wurde.

Die Monierung stammt übrigens nicht vom Bundesverfassungsgericht, sondern vom Bundesfinanzhof und den Beschwerdeführern, also denjenigen, die vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind. Das Gericht selbst hat all das noch nicht moniert, sondern lediglich Fragen gestellt, die im Rahmen seiner Prüfung der Monierung von Bedeutung sind. Das erfährt man nicht bei n-tv, sondern in der  FAZ, die vom Ablauf der mündlichen Verhandlung berichtet, ein Video einstellt und in einem weiteren Artikel mit Hintergrundinformationen sowie einer sachlich richtigen Analyse aufwartet. So sollte Journalismus sein!

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