Herr Czaja, Sie sind Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses und Vorsitzender der FDP-Fraktion. Wie zufrieden sind Sie mit der Wohnungspolitik des aktuellen Berliner Senats?
Überhaupt nicht!
Warum?
Wohnen ist unter diesem Senat zu einer Gerechtigkeits- und Schicksalsfrage geworden! Anstatt mit einer Bauoffensive endlich auf die immense Nachfrage und die Mieten-Explosion zu regieren, kauft man sich mit Milieuschutz einige hundert Wohnungen mietpreisstabil, blockiert den Dachgeschossausbau oder verhindert private Bauvorhaben mit tausenden Wohneinheiten. Selbst die Kritik der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften, die für den Senat das Wahlversprechen Wohnraum einzig und allein realisieren sollen, wird nicht ernst genommen.
Was sollte man anders machen?
Die Politik muss die Rahmenbedingungen und das Klima für eine Kultur des Bauens schaffen. Mit einem Mieten-TÜV und einer Baukostensenkungskommission könnten wir die Bau- und Mietkosten korrigieren, serieller bzw. modularer Bau würde Vorhaben vereinfachen. Wir brauchen in Berlin endlich ein Baulückenkataster. Entscheidend ist für mich, dass wir ein gesamtgesellschaftliches Verständnis entwickeln, wie wir die Lösung des Wohnungsmangels, bedürfnisgerechtes Wohnen aber auch Verkehrswege in Einklang bringen können. Dazu gehört, dass die landeseigenen Gesellschaften und private Bauherren gemeinsam für unsere Stadt bauen!
Die Verdichtung des Stadtgebiets durch Dachgeschoßausbau und Baulückenschließung trifft auf Bezirksebene auf Widerstand, weil die zugehörige Versorgung mit Kitas, Schulen, medizinischen Einrichtungen oder Pkw-Stellflächen fehlt. Wie lässt sich das mit der landespolitischen Zielrichtung vereinbaren, verstärkt neuen Wohnraum zu schaffen, um den Wohnungsmarkt zu entspannen?
Bauvorhaben sind stets konfliktreich – gerade in einer Stadt wie Berlin, wo wir eine starke Flächenkonkurrenz haben. Fakt ist aber: Städte verändern sich permanent – egal ob das Land, die Bezirke oder ich das gut oder schlecht finden. Ich halte es für entscheidend, dass wir die Herausforderungen zum Erhalt der Kieze annehmen, mit smarten Lösungen reagieren: mehr Tiefgaragen, veränderte Traufhöhen, Wohneinheiten über Discountern, Umwandlung unattraktiver Einkaufszentren. Zum gesamtgesellschaftlichen Verständnis gehört auch, dass bei neuen Wohnquartieren die dazugehörige Infrastruktur einvernehmlich realisiert wird.
Was fällt Ihnen zum Stichwort „urbane Gebiete“ ein?
Ein wunderbares Stichwort! Ich sehe in Urbanen Gebieten eine große Chance, auf die Anforderungen an unsere Stadt zu reagieren. Gerade die Vereinbarkeit von Wohnungsbau und Gewerbegebieten ist eine Chance, den Flächenverbrauch zu reduzieren und Nutzungsmischung zu ermöglichen. Diese Bewertung teile ich sogar mit dem Senat, der davon nur keinen Gebrauch macht.
Mit der vermehrten Ausweisung von Milieuschutzgebieten versuchen die Bezirke, starke Anstiege des Mietniveaus und eine Verdrängung der heutigen Bewohner zu verhindern. Aufteilungen in Wohneigentum werden eingeschränkt und städtische Vorkaufsrechte zu einzelnen Häusern ausgeübt. Wie denken Sie darüber?
Davon wird weder die Wohnungsnot gemildert, noch sinken die Mieten. Selbst wenn der Bezirk oder das Land ein Haus mit Vorkaufsrecht erwirbt, verändern sich die Regeln des Marktes nicht. Übrigens: Als einziges Bundesland hat sich Berlin zur Förderung der Bildung von Wohneigentum verpflichtet. Diese Verpflichtung muss sowohl für die Bildung von genossenschaftlichem als auch privatem Wohneigentum gelten.
Was schlagen Sie stattdessen vor?
Nur mit einem großen Angebot an Wohnungen lässt sich bezahlbarer Wohnraum auch für die breite Mittelschicht in dieser Stadt ermöglichen.
Berlin ist eine Mieterstadt. Ist das gut so oder sollte man versuchen, die Wohneigentumsquote zu erhöhen?
Das ist natürlich historisch gewachsen, das will ich gar nicht bewerten. Ich bin klar der Auffassung, dass man die Wohneigentumsquote erhöhen sollte. Letztlich ist Wohneigentum die Voraussetzung, um sich unabhängig von den Entwicklungen auf dem Mietmarkt zu machen – und zugleich die beste Altersvorsorge.
Bauträger berichten mir, dass viele Mieter ihre Wohnung gern kaufen würden, es aber am Eigenkapital fehlt, so dass eine Finanzierung zu teuer wird oder scheitert. Mit welchen politischen Instrumenten könnte man der Bevölkerung beim Wohnungskauf helfen?
Für den Erwerb von Wohneigentum müssen wir die Last von den Kaufkosten – und somit vom Eigenkapital – nehmen. Als Freie Demokraten fordern wir auch für Berlin bei der Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro. In Schleswig-Holstein und NRW konnten wir das im Koalitionsvertrag festschreiben. Zugleich gilt, je länger Bauvorhaben dauern, desto teurer werden sie für die Bauherren und Käufer. Den Wunsch vieler Menschen nach Wohneigentum sollte die Politik nicht verurteilen oder sogar ausbremsen.
Bitte öffnen Sie für mich Ihr Adressbuch: wen sollte ich als nächstes interviewen?
Sprechen Sie doch mal mit dem früheren Senatsbaudirektor Hans Stimmann (SPD). Das lohnt sich!
Herr Czaja, haben Sie vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben.
Vielen Dank für das Gespräch, sehr gerne!
Das Interview fand am 29. Januar 2018 statt, die Fragen stellte RA Tobias Scheidacker.
Ich wollte schon immer mehr wissen über Immobilienrecht. Ich denke, das ist etwas, über das jeder mehr wissen sollte. Ich werde diesen Artikel auch mit meinem Onkel teilen. Das interessiert ihn auch.