Überlegungen zum Koalitionsvertrag: Freibetrag bei Grunderwerbsteuer und finanzielle Förderung von Eigentumsbildung

Veröffentlicht von

Im Unterschied zu meinen letzten Beiträgen über den Koalitionsvertrag muß ich heute einmal etwas positives schreiben. Aber zunächst zum Hintergrund: die Deutschen sind das ärmste Volk Europas. So hat es 2015 nicht nur die EZB ermittelt, sondern aktuell auch der Global Wealth Report des Credit Suisse Research Institute. Der Medianwert der deutschen Vermögen liegt hiernach bei nur 47.000 $. In Griechenland sind es 8.000 Euro mehr und wenn wir uns nicht mit Krisenländern vergleichen, sondern unseren Nachbarn, sind wir weit abgehängt: Holländer (94.000 $), Dänen (87.000 $), Belgier (168.000 $), Franzosen (120.000$) oder Italiener (125.000 $) – rings um uns besitzen die Menschen das doppelte bis dreifache. Der Grund ist das geringe Immobilienvermögen der Privathaushalte in Deutschland.

Genau jetzt ist der richtige Zeitpunkt, hier mit massiver politischer Rückendeckung gegenzusteuern. Die Zinsen für den Immobilienkauf sind historisch niedrig, statt 5, 6 oder 8% kann man aktuell für rund 1,5% Geld leihen. Wenn Mieter in eine Eigentumswohnung ziehen, ist der Effekt deshalb häufig, daß sie trotz ordentlicher Tilgung monatlich weniger Geld fürs Wohnen ausgeben müssen als zuvor. Die Tilgungsleistung ist eine Sparrate an sich selbst, im Alter wohnt man umsonst, was die Rentenlücke kompensiert.

Statt politischer Rückendeckung haben wir in den letzten Jahren eine zunehmende Erhöhung der Grunderwerbsteuern erlebt, also eine massive Verteuerung der Kaufnebenkosten. Bis Ende 1982 war der Kauf selbstgenutzten Wohneigentums steuerfrei, von 1983 bis 1996 betrug die Grunderwerbsteuer bundesweit 2%, danach wurde die Steuerschraube immer schneller immer weiter angezogen. Heute sind es in Berlin 6%, in Brandenburg 6,5%. Eine Drei- bis Vier-Zimmer-Wohnung in Berlin kostete Mitte der 90er Jahre etwa 500 bis 1.000 DM/qm, also vielleicht 100.000 DM. Das sind rund 50.000 Euro, 2% Steuer hierauf sind 1.000 Euro. Das kann jeder, der sich eine Wohnung kaufen kann, leisten. Heute kostet die gleiche Wohnung etwa 3.000 Euro/qm, das sind 300.000 Euro. 6% Steuer hierauf sind 18.000 Euro, für die gleiche Wohnung! Das kann sich nicht jeder leisten, im Gegenteil. Man fragt sich, ob es wirklich sein muß, den Leuten solche Belastungen aufzuerlegen. Übrigens gab es damals außerdem eine Eigenheimzulage, die 2,5% der Anschaffungskosten betrug, plus Aufschläge pro Kind. Sie war also höher als die Steuer, so daß die Steuer nicht den Kauf verhinderte. Sie wurde zu Ende 2005 abgeschafft.

Das Ergebnis ist, daß sich der normale Bürger Eigentum schlicht nicht oder nur unter enormen Risiken (nämlich einer Mehr-als-100%-Finanzierung) kaufen kann. Wenn wir das anhand der vorstehend beispielhaft genannten 100qm-Wohnung zu 300.000 Euro Kaufpreis durchrechnen, sieht es wie folgt aus: 6% (in Berlin) = 18.000 Euro Steuer auf den Erwerb, 7,14% = 21.420 Euro Maklerhonorar, 2% = 6.000 Euro Notar- und Grundbuchkosten, macht zusammen 45.420 Euro. Das sind nur die Nebenkosten und kein Cent Eigenanteil am Kaufpreis. Eine 100%-Finanzierung ist allerdings erheblich teurer als eine 80%-Finanzierung, d.h. man sollte 20% Eigenkapital auf den Kaufpreis mitbringen und nur für 80% einen Kredit aufnehmen. 20% sind weitere 60.000 Euro. Damit braucht man aktuell also 105.420 Euro an vorhandenen Barmitteln, um eine Wohnung zu kaufen, die 300.000 Euro kostet. Das ist mehr als das doppelte des oben genannten deutschen Haushaltsmedians, was bedeutet, daß es für den Großteil der Bevölkerung nicht in Betracht kommt.

Nicht nur ich habe diese Politik konsequent kritisiert (siehe zum Beispiel hier Seite 7hier und hier, oder inzident auch hier). Auch diejenigen, die nah am Markt arbeiten, wie bspw. Jacopo Mingazzini mit seinem Unternehmen Accentro, oder die Politik selbst (siehe den FDP-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus Sebastian Czaja), sehen die heutige Situation kritisch. Es bedarf einer Absenkung der Steuern auf den Erwerb, und es bedarf Eigenkapitalhilfen im Rahmen der o.g. 20%, zum Beispiel staatliche Kredite, Bürgschaften, eine neue Eigenheimzulage oder Zuschüsse.

Es ist vor diesem Hintergrund außerordentlich erfreulich, daß das Problem auf höchster politischer Ebene angekommen ist und sich im Koalitionsvertrag ein entsprechender Arbeitsauftrag wiederfindet. Er lautet:

Wir werden die Eigentumsbildung für Familien finanziell unterstützen. Dafür führen wir für den Ersterwerb von Neubau oder Bestand ein Baukindergeld als Zuschuss aus dem Bundeshaushalt in Höhe von 1200 Euro je Kind und pro Jahr ein, das über einen Zeitraum von zehn Jahren gezahlt wird. Das Baukindergeld wird flächendeckend bis zu einer Einkommensgrenze von 75.000 Euro zu versteuerndem Haushaltseinkommen pro Jahr und zusätzlich 15.000 Euro pro Kind gewährt.

Wir wollen ein Bürgschaftsprogramm der KfW einführen, mit dem ein Anteil des Kaufpreises bzw. der Baukosten selbstgenutzten Wohneigentums abgesichert wird. Dadurch kann das beim Erwerb notwendige Eigenkapital gesenkt werden. Die Bürgschaft soll für 20 Jahre gelten.

Wir prüfen einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer beim erstmaligen Erwerb von Wohngrundstücken für Familien ohne Rückwirkung beim Länderfinanzausgleich. Nach Abschluss der Prüfarbeiten durch Bund und Länder werden wir eine effektiv und rechtssichere gesetzliche Regelung umsetzen, um missbräuchliche Steuergestaltungen bei der Grunderwerbsteuer mittels Share Deals zu beenden. Die gewonnenen Mehreinnahmen können von den Ländern zur Senkung der Steuersätze verwendet werden.

Schon die erste Idee in diesem Text ist überaus positiv: eine Koppelung der staatlichen Förderung an die im Haushalt lebenden Kinder. Denn je mehr Kinder da sind, desto mehr Platz braucht man. Auch beim Ehegattensplitting könnte man übrigens mal nachdenken, ob man kinderlose Ehepaare steuerlich weiter begünstigen und kinderreiche Paare ohne Trauschein weiter außen vor lassen will; ein Familiensplitting fände ich persönlich da viel passender. Aber das ist ein anderes Thema. 12.000 Euro Zuschuss pro Kind wie oben vorgeschlagen sind 36.000 Euro bei drei Kindern, das ist schon ordentlich! Auch die Einkommensgrenze von bei drei Kindern 120.000 Euro (leider vor Steuern!) ist zwar in meinen Augen knapp, dürfte aber so gewählt sein, daß die Banken den Kreditnehmer für solide genug halten, um die Finanzierung zu wagen. Das ist auch nötig, denn es ergäbe keinen Sinn, nur Einkommensschichten zu fördern, die keinen Kredit erhalten, weil das Einkommen dafür zu niedrig ist.

Auch die zweite Idee ist gut. Aktuell beträgt die Zinsdifferenz zwischen einer 80%-Finanzierung und einer 100%-Finanzierung 0,6 bis 0,8%. Das bedeutet bei einem Kredit über 300.000 Euro einen Unterschied von 1.800 bis 2.400 Euro im Jahr, also 150 bis 200 Euro im Monat. Der Grund ist das höhere Risiko der Bank, insbesondere in den ersten 10 Jahren, falls der Kreditnehmer ausfällt und die Immobilie vielleicht nicht zu 100% plus Kosten veräußert werden kann. Eine Absicherung des Eigenkapitalanteils durch den Staat bedeutet, daß das Risiko von den Schultern der Bank genommen und in die öffentliche Hand übertragen wird. Damit braucht es die Zinsdifferenz nicht mehr, die monatliche Belastung mit der laufenden Kreditrate wird dadurch geringer. Das wiederum macht es leichter, gerade auch im Vergleich zu der monatlich ansonsten zu zahlenden Miete, sich den Kauf zu leisten.

Etwas enttäuscht bin ich vom dritten Absatz, der einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer adressiert. Leider will man das nur „prüfen“, nicht einführen. Ansonsten schiebt man den schwarzen Peter zurück auf die Bundesländer: die sollen bitte ihre Steuersätze eigenverantwortlich senken. Hier hätte ich mir einen durchgreifenderen Ansatz gewünscht. Aber immerhin, das Thema wird diskutiert. Angestoßen wurde es von der FDP, welche in den Koalitionsverträgen von Schleswig-Holstein (siehe Seite 7 unten) und in Nordrheinwestfalen (siehe Seite 76 mittig), jeweils im Verbund mit der CDU, die Einführung von Freibeträgen programmatisch vorgesehen hat. Zwar sitzt sie nicht in der künftigen Regierung. Trotzdem können sich CDU/CSU und SPD hier schlecht verweigern und damit der FDP das Thema überlassen. Auch wenn das bisher keiner mitbekommen hat, ist das ein frühes und bedeutsames Ergebnis guter Oppositionsarbeit!

Hoffen wir, daß die „Prüfungen“ schnell gehen und sämtliche vorstehend beabsichtigten Punkte schnell umgesetzt werden. Die Zinsen steigen seit einem Jahr allmählich wieder an und es wäre schade, wenn sich das historisch günstige Fenster schließt, bevor die Politik die Rahmenbedingungen geschaffen hat, die der Bevölkerung erlauben, diese Gelegenheit zu nutzen.

Buchempfehlung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.