Politik will Mieten weiter verteuern: Grunderwerbsteuer bei Share Deals

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Derzeit diskutiert die Berliner Politik, wie man eine Gerechtigkeitslücke schließen kann: wenn Private eine Immobilie kaufen, zahlen sie 6% Steuer auf den Kaufpreis. Wenn man hingegen nicht eine Immobilie, sondern maximal 95% der Anteile an einem anderen Unternehmen kauft, dem eine Immobilie gehört, zahlt man keine Steuer auf den Kaufpreis. Die restlichen 5% kauft man etwas später, wenn 5 Jahre um sind, die Steuer wird dadurch dann nicht mehr ausgelöst. „Share Deal“ nennt sich das, weil Share „Anteil“ bedeutet, Share Deal lautet übersetzt „Anteilskauf“.

Steuern sparen ist also einfach. Man muß eine Immobilie nur irgendwann einmal in ein Unternehmen übertragen. Sodann wird nicht mehr die Immobilie verkauft, sondern das Unternehmen, und schon fällt keine Grunderwerbsteuer mehr an.

Von dieser Möglichkeit kann eigentlich jeder Gebrauch machen. Zum Einsatz kommt sie aber umso lieber, je größer die Wohnungspakete sind, um die es geht. Es geht ja auch um beträchtliche Summen: wenn der chinesische Staatsfonds in 2016 für 1,2 Milliarden Euro 16.100 Wohnungen im Paket kauft, spart er 72 Mio Euro Steuer.

Was derzeit diskutiert wird.

Diese Situation wird als unbefriedigend empfunden: der private Altersvorsorger oder Einfamilienhauskäufer zahlt schmerzhafte Steuerbeträge, während die Großen völlig steuerfrei bleiben. In der Politik wird deshalb schon länger überlegt, wie man die Großen nun besser besteuern will. Bisherige Ideen waren, die steuerfreie Grenze von 95% auf 90% zu senken und die Frist, innerhalb derer der Kauf der restlichen Anteile die Steuer nachträglich noch auslöst, von 5 auf 10 Jahre zu verlängern (siehe bspw. den Spiegel-Beitrag hier). Die Morgenpost berichtet nun von einer neuen Idee: eine Besteuerung immer in Höhe des Anteils, der gekauft wird. Erwirbt man also 70% eines Unternehmens, zahlt man 70% der Steuer auf die in dem Unternehmensbesitz befindlichen Objekte, erwirbt man 85%, dann eben 85%. So jedenfalls verstehe ich die (etwas ungenauen) Presseberichte. Die Frist könnte bei diesem Modell entfallen, es wäre ja nichts mehr steuerfrei.

Warum das keine gute Idee ist.

Die vordergründige Auswirkung wäre, daß jeder, der ganz oder anteilig eine Immobilie kauft, egal unter welcher rechtlichen Struktur, die auf den Kauf entstehende Grunderwerbsteuer zahlen muß. Dann sind nicht mehr nur die Kleinen belastet, sondern endlich auch die Großen. Die Gerechtigkeitslücke wäre geschlossen.

Das klingt doch gut, oder?

Das Problem ist, daß Anlageimmobilien aus Investorensicht einen einzigen Zweck erfüllen: sie sollen langfristig solide Rendite erwirtschaften. Die berechnet sich nicht aus Kaufpreisen, sondern aus einer Gesamtkalkulation. Wenn der Investor für 100 Mio Euro ein Wohnungspaket kauft und 5% Rendite damit erzielen will, muß er jedes Jahr 5 Mio Euro an Mieten einnehmen. Wenn er für das Paket nicht mehr 100 Mio bezahlen muß, sondern 106 Mio, weil er 6% Steuer auf den Kauf entrichtet, dann hat er nur dann 5% Rendite, wenn er Mieten iHv. 5,3 Mio Euro jährlich einnimmt, also 300.000 Euro mehr. Er muß also als erstes über den gesamten Bestand hinweg die Mieten erhöhen, um das Steuerdefizit wieder hereinzuholen.

Wie hoch werden die Mietsteigerungen dadurch etwa sein?

Das kommt darauf an, wie hoch der qm-Kaufpreis im Durchschnitt ist. Derzeit liegen die Paketpreise für innerstädtische Lagen schätzungsweise irgendwo zwischen 3.000 und 4.500 Euro. Rechnen wir mit dem Mittelwert von 3.750 Euro, liegt die 6%ige Steuer pro qm bei 225 Euro. Bei einer 5%igen Renditekomponente ergibt das 11,25 Euro Mieterhöhung pro qm pro Jahr, also rund 1 Euro pro qm monatlich.

Man kann das auch wohnungsweise betrachten: mit dem Mittelwert von 3.750 Euro gerechnet erhält man für 100 Mio Euro etwa 26.670 qm Wohnfläche. Bei einer durchschnittlichen Wohnungsgröße von 73 qm sind das 365 Wohnungen. Wenn die (5 % jährlich von 6 Mio Steuer =) 300.000 Euro Steuer gleichmäßig über alle Wohnungen verteilt werden, ergibt sich ein wohnungsbezogener Anteil iHv. 822 Euro Mieterhöhung pro Jahr.

Meinungssteuerung durch Sprache

Wenn man die Menschen fragt, ob sie es befürworten, daß die Großen der Branche auch Steuern zahlen müssen, so wie der kleine Mann, wird die Mehrheit sicherlich „Ja“ sagen. Wenn man die Menschen fragt, ob sie wollen, daß die Politik die Steuerbelastung für „Wohnen“ reduziert und so die Wohnkosten senkt, wird die Mehrheit vermutlich ebenfalls „Ja“ sagen. Bei den Antworten handelt es sich um exakt gegenteilige Aussagen.

Was wäre die bessere Idee?

Statt den Anwendungsbereich der Steuern auszudehnen und Wohnen damit weiter zu verteuern, sollte man die Grunderwerbsteuer auf den Immobilienkauf für Private ebenfalls abschaffen. Damit wäre das Gerechtigkeitsproblem ebenfalls beseitigt, und das in einer erheblich einfacheren Weise.

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