viele parallele Entwicklungen
Es passiert schon wieder irre viel im Immobilienrecht. 6 Wochen habe ich mich mal mit anderen Dingen als diesem Blog befasst und nun komme ich fast nicht mehr hinterher, die ganzen Themen aufzuarbeiten, die in der Zwischenzeit aufgelaufen sind.
Aktuell stehen auf der Agenda:
- der neue Mietspiegel in Berlin
- der Referentenentwurf des BMJV, den Betrachtungszeitraum bei Mietspiegeln von 4 auf 6 Jahre auszudehnen
- der Vorschlag der Partei „Die Linke“, Eigenbedarfskündigungen für Mieter ab 70 Jahren gesetzlich auszuschließen
- die Grundsteuer-Reform und eine Unterschriftensammlung des Mieterbundes mit dem Ziel, die Umlage auf die Mieter in den Betriebskosten zu streichen
- Diskussion über Mietendeckel (in Berlin) und weitere Verschärfung der Mietpreisbremse (auf Bundesebene)
- das laufende Volksbegehren zu Enteignungen in Berlin
- mehrere neue Milieuschutzgebiete seit Jahresbeginn
- ein BMF-Entwurf zu Änderungen in der Grunderwerbsteuer bei Share Deals
- eine erste „Musterfeststellungsklage“ im Mietrecht beim OLG München (betreffend eine Modernisierung) – bislang nur aus Megaskandalen wie dem VW-Abgasskandal bekannt
- stark rückläufige Bauantragszahlen und rückläufiger Wohnungsbau
- eine Ausweitung der Mieterrechte auf Belegeinsicht nach Heizkostenabrechnungen durch BGH-Rechtsprechung bei gleichzeitig steigenden Anforderungen an den Datenschutz für die Verwaltung
In den Details kommen noch einige weitere Dinge dazu.
Ob und wie die permanenten Eingriffe wirken, läßt sich isoliert schlecht beurteilen, da im Immobilienmarkt komplexe Wechselbeziehungen bestehen. Dreht man an vielen Stellschrauben gleichzeitig, ist schwer zu sagen, was das eine Rädchen bewirkte und was das andere. Gleichwohl, schauen wir uns einen Punkt mal näher an:
Keine Eigenbedarfskündigung über 70!
So lautet ein Vorschlag der Partei „Die Linke“ im Bundestag (Bericht aus der FAZ hier). Er kam kurz nach dem Bekanntwerden einer entsprechenden Entscheidung des LG Berlin, ich hatte darüber hier berichtet. Anders als das Gericht möchte Die Linke das nicht differenziert und einzelfallbezogen betrachten, sondern generell ab einer Altersgrenze von 70 Jahren Eigenbedarfskündigungen verbieten. Damit sollen ältere Mieter geschützt werden.
unbeabsichtigte Konsequenzen
In unseren Beratungen bei Haus & Grund wie auch in meiner Anwaltskanzlei haben wir häufiger mit Eigenbedarfskündigungen zu tun. Die Mehrzahl der Fälle, in denen auf der Mieterseite alte Menschen stehen, hat einen von zwei Hintergründen:
- entweder, ein Paar mit Kindern kauft eine große Wohnung, um dort mit ihrer Familie selbst einzuziehen. Die alten Mieter wohnten da selbst vor Jahrzehnten mit ihren Kindern, letztere sind aber vor langer Zeit ausgezogen und das Mieterpaar blieb drin, weil die alte Miete sehr günstig ist und der Umzug in eine kleinere Wohnung die Mietkosten nicht senkt. Warum sollte man in eine kleinere Fläche umziehen, wenn sie das gleiche kostet?
- oder ein Mieter, der kurz vor der Rente steht, kauft eine kleine Wohnung, um mit Ruhestandsbeginn dort einzuziehen und seine Wohnkosten zu senken.
Im ersteren Fall würde ein Kündigungsverbot ab 70 dazu führen, daß noch mehr als heute Familien mit Kindern keine (bezahlbaren) Wohnungen mehr finden, weil alte Paare überdimensional große Wohnungen nicht freigeben, obwohl sie die Fläche gar nicht mehr brauchen. Im letzteren Fall erhöht man die Kosten bei Alterseintritt.
Beides kann der Linken eigentlich nicht recht sein. Verteilungsfragen sind eben nie einfach.
absehbare Reaktion der Vermieter
Eine weitere Folge einer solchen Regelung wäre, daß Mieter ab ungefähr 60 Jahren keine Mietverträge von privaten Eigentümern mehr erhielten – oder nur zeitlich befristet oder möbliert o.ä. mit der Intention, daß sie vor ihrem 70ten Lebensjahr wieder ausziehen. Hier spielt unter anderem auch die Überlegung eine Rolle, daß Mietverträge mit dem Tod nicht automatisch enden, sondern vererbt werden und der Vermieter nicht in jedem Fall die Möglichkeit hat, das zu verhindern. Der Zugriff auf Immobilie und Vertrag wäre ihm insoweit nachhaltig entzogen, ein Verkauf an Interessenten mit Selbstnutzungsabsicht nicht möglich. Das bedeutet am Ende, daß eine Vermietung an Menschen ab 70 einen erheblichen Wertverlust der Immobilie bewirken würde. Da gerade die privaten Eigentümer aber Altersvorsorge mit ihrer vermieteten Immobilie betreiben, wäre das stark kontraproduktiv. Wenn man wirtschaftlich denken muß, muß man verhindern, daß Mietverträge in das 70ste Lebensjahr des Mieters laufen, was eine Vermietung an Menschen ab etwa 60 eben künftig dann ausschlösse.
Fazit
Eingriffe führen zu den nächsten Eingriffen und die wiederum zu erneuter Regulierung, und so weiter. Am Ende ist es für alle nachteilig. Als DDR-Kind sehe ich diese Entwicklung kritisch, weil sie Freiheiten einschränkt, sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich.
