Herr Marquardt, Engel & Völkers ist eines der größeren Maklerunternehmen im deutschen und damit auch im Berliner Markt. Sie sind sowohl als Inhaber der E&V Akademie als auch durch Ihre Einblicke im operativen Geschäft nah am Geschehen. Wie sehen Sie aktuell den Berliner Immobilienmarkt?
Am Anfang eines Veränderungsprozesses. Der Markt ist weiterhin auf einem sehr hohen Niveau, allerdings werden erste Veränderungen sichtbar. Die Investoren prüfen vor dem Ankauf von Immobilien eindeutig länger und genauer als in der Vergangenheit. Einige der Marktteilnehmer haben sich bereits aus Berlin verabschiedet und gehen in für sie attraktivere Märkte, mit höheren Entwicklungschancen und höheren Renditen.
Dennoch bleibt der Standort attraktiv. Die Entwicklungen in der Stadt spiegeln die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungsprozesse wieder. Der Anteil der klassischen Industrie geht weiter zurück, die Zunahme von Unternehmen im Bereich der Digitalisierung und Informationsdienstleistungen wächst stetig weiter. Die Veränderungen der Arbeitsformen wird in dem stark nachgefragten Co-Work-Spaces-Markt deutlich. Start ups und New Work sind aus Berlin nicht mehr weg zu denken. Und genau für diese neuen Anforderungen an selbstbestimmte, kreative Arbeit ist Berlin mit seiner Infrastruktur und seinem kultuellen Angebot eine hervorragende Plattform. Was aus meiner Sicht den Immobillien Markt in Berlin weiter in Bewegung bleiben lassen wird.
Konkret zum Mietendeckel: hat der Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen Ihrer Kunden? Wenn ja, welche?
Die Entwürfe der Politik zur Reglierung des Immmobilienmarkt haben deutliche Auswirkungen auf Investitionsentscheidungen. Die Investoren sind sehr stark verunsichert. Ein Teil der Kunden hat sich entschlossen, seine Aktivitäten in Berlin vorerst einzustellen. In den Gesprächen mit Markteilnehmern wird die unklare gesetzliche Lage sehr deutlich und die vermuteteten Risiken werden eingepreist. Was bedeutet, dass die Preise nach unten korregiert werden. Die Vermutung, dass die Preis sinken werden, lässt die Investoren abwarten und teilweise auf einen abgeschwächten Markt mit attraktiveren Preisen spekulieren.
Dennoch ist der Markt in Bewegung und Transaktionen werden weiterhin durchgeführt. Einige der Marktteilnehmer beginnen eine stärkere Orientierung zu rein oder überwiegend gewerblich genutzen Immobilien.
Vermietungen nach der Einführung der Mietpreisbremse werden kritischer betrachtet als bisher.
Die Auswirkungen werden inzwischen auch auf andere Bereiche der Wirtschaft deutlich. Aufträge mit Handwerkern, soweit möglich, werden zurück gehalten oder gekündigt. Viele Investoren entscheiden sich gegen geplante Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, da für sie die Rentabilität der Maßnahmen im Moment in Frage steht. Durch das veränderte Verhalten der Investoren am Markt sind natürlich auch Notare und Maklerhäuser beeinflusst.
Nehmen Sie auch eine Veränderung im Verhalten der Banken wahr? Wenn ja, welche?
Dort ist eine deutliche stärkere Bewertung der politischen Aktivitäten zu sehen. Aus Kundengesprächen habe ich erfahren, dass die Banken ihre Beleihungswerte der veränderten Situation anpassen. Es wurden Absenkungen des Beleihungswertes von 20-30% genannt. Die Banken selber halten sich mit offiziellen Äußerungen sehr stark zurück. Auch hier ist aus meiner Sicht eine starke Verunsicherung der Bewertung der zukünftigen Marktsituation eingetreten.
Die Mietpreisbremse 2015 war ja auch schon ein deutlicher regulatorischer Eingriff. Warum werden die jetzigen Pläne so anders wahrgenommen?
Die Mietpreisbremse beinhaltet für viele Investoren einen Handlungsspielraum, den sie jetzt als bedroht ansehen. Und die Frage aufwirft: Was kommt als nächstes? Hinzu kommen sicherlich die facettenreichen Auslegungen der Gesetzesvorlage und die Unklarheit, was davon wirklich wirksam wird. Bei der Betrachtung der ursprünglichen Forderungen sehen sich einige Investoren ihrer wirtschaftlichen Grundlage bedroht.
Halten Sie das für berechtigt? Wie gehen Sie persönlich gegenüber Ihren Kunden damit um?
Ich kann die Verunsicherung der Kunden sehr gut nachvollziehen. Die Unklarheit führt zu einem „Nicht handeln“ – die Basis des Handelns steht damit für viele Marktteilnehmer im Moment auf einem unsicheren Fundament. Letztendlich liegt die Entscheidung immer bei den Kunden. Was ich bzw. auch Engel & Vökers machen kann und macht ist, ein größtmögliche Transparenz für eine Entscheidung zu schaffen.
Wie reagiert Ihr Unternehmen auf die aktuelle Situation?
Zum einen werden die Entwicklungen intern bekannt gemacht und diskutiert, um eine möglichst hohe und aktuelle Informationsdichte für die Mitarbeiter zu erreichen. Was die Mitarbeiter für die Gespräche mit den Kunden gut vorbereitet. Ich als Inhaber der EuV Akademie biete mit meinen Veranstaltungen den Mitarbeitern dafür eine zusätzliche Plattform. Auf der anderen Seite ermöglicht Engel & Völkers seinen Kunden in Veranstaltungen, mehr Transparenz zu erlangen. Es werden Gespräche gemeinsam mit anderen Marktteilnehmern und der Politik geführt.
Wie ist Ihre Perspektive auf die anhaltende Ausweitung der Milieuschutzgebiete in Berlin?
Ich gehe davon aus, dass diese Ausweitung weiter fortgesetzt wird. Was, wie bereits in der nahen Vergangenheit, zur Veränderung der Käufergruppe führt. Der klassiche Aufteiler, welcher ein Haus kauft, um es möglichst schnell in Eigentumswohnungen umzuwandeln, kauft in diesen Gebieten nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt. Die Bestandshalter kalkulieren jetzt noch stärker die möglichen Einschränkungen ein. Die Transaktionsgeschwindigkeit und -unsicherheit wird durch das verstärkte Ausüben der Vorkaufsrecht erheblich gesenkt. Damit werden Marktteilnehmer aus dem Immobilienmarkt in Berlin weiter verdrängt werden.
Eine weitere Ausweitung der Milueschutzgebiete und Veränderungen in den Satzungen hin zu einer stärkeren Reglementierung von Investitionen halte ich persönlich für die Entwicklung der Stadt als nicht zielführend.
Wie wird sich der Berliner Immobilienmarkt Ihrer Einschätzung nach in den nächsten 5 Jahren entwickeln?
Aus meiner Sicht wird die Entwicklungsgeschwindigkeit deutlich sinken. Die Attraktivität des Immobilienmarktes in Berlin, unter den aktuellen Voraussetzungen, wird für viele Investoren mehr und mehr verlieren. Auf Grund der soziodemografischen Entwicklung und den Anforderungen an eine sich mehr und mehr verändernde Wirtschaft wird es weiter Investitionen geben müssen. Der Immobilienmarkt wird sich den neuen Anforderungen und Herausforderungen anpassen. Aus meiner Sicht werden Investitionen in den Bestand und in den Neubau sehr stark davon abhängig gemacht werden, wie sich die politischen Eingriffe in den Markt entwickeln und festsetzen.
Was müßte man Ihrer Einschätzung nach anders machen?
In der jetztigen Situation wünsche ich mir tatsächlich einen besseren, kooperativen Austausch zwischen allen Beteiligten, ein Aufgeben des sogenannten Silo-Denkens und mehr Transparenz. Es geht aus meiner Sicht um eine gemeinsame Entwicklung der Stadt. Es ist wichtig, die Attraktivität von Berlin noch weiter zu erhöhen und die Entwicklung der Stadt weiter zu führen. Was für mich bedeutet, dass es neue Möglichkeiten des Neubaus geben muss – Investitionsanreize für den Mietwohnungsbau, eine höhere Flexibilität bei Stadtplanung und Baugenehmigungen, ein Ausbau der digitalen Infrastruktur für die Wirtschaft. Damit verbunden ist für mich auch die bauliche Verdichtung der Stadt, dass Nutzen von Potenzialen und das Schaffen von neuen Formen des Lebens und Arbeitens, wie zum Beispiel Co-Living, Orten für Kreativität etc. Berlin und sein Potenzial in allen Faceten zu nutzen und zu entwickeln.
Herr Marquardt, herzlichen Dank, daß Sie sich die Zeit für das Gespräch genommen haben.