Was haben US-Staatsanleihen mit dem deutschen Immobilienmarkt zu tun?

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Welche verschiedenen Märkte gibt es?

Allerorten schreibt die Presse, daß der Immobilienboom der letzten Jahre vorbei ist und Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung unerschwinglich werden. Nahezu jeder Makler berichtet mir, daß verkaufswillige Eigentümer noch nicht begriffen haben, was der gestiegene Finanzierungszins für die Verkaufspreise bedeutet, und immer noch die Preise von vor zwei Jahren fordern.

Nach dem, was ich in meiner anwaltlichen und notariellen Praxis sehe, müssen wir drei Märkte unterscheiden: den der Eigennutzer, den der kleinen Kapitalanleger auf Ebene einzelner Eigentumswohnungen und den der größeren Investoren, für Mehrfamilienhäuser oder ganze Portfolios.

Für Eigennutzer ist nicht eine Renditekalkulation relevant, sondern a) daß sie eine Wohnung / ein Haus für sich selbst benötigen und b) ob sie das finanzieren können, also das nötige Eigenkapital für den Ankauf mitbringen und ihre monatliche Haushaltsrechnung mit der Kreditbelastung funktioniert.

Für kleine Kapitalanleger ist eine Renditekalkulation insoweit relevant, als daß die Frage lautet, ob das Verhältnis zwischen Ankaufspreis und Ertrag langfristig Vermögensaufbau erlaubt.

Für größere Investoren ist die Sicherheit des Investments und seine Renditekalkulation relevant, und zwar nicht nur bezogen auf das einzelne Objekt, sondern auch bezogen auf andere Anlageklassen. Man muß ja nicht in Immobilien in Deutschland investieren, es gibt andere Dinge, zum Beispiel den Aktienmarkt oder eben US-Staatsanleihen.

Aktuelle Zinsen auf US-Staatsanleihen

Nach dem Anleihenfinder von Comdirect rentieren US-Staatsanleihen heute mit einer Restlaufzeit von unter 2 Jahren über 5%. Langläufer von 20 Jahren sind über 4% zu haben. Wenn man 10 Mio USD übrig hat und investieren will, erhält man hier eine risikolose Rendite von über 400.000 USD jährlich – ohne Mietausfall, ohne Instandhaltungsaufwand oder Kosten für energetische Modernisierungen, ohne Verwaltungskosten und ohne das politische Risiko, das wir in Deutschland seit inzwischen einer ganzen Zahl von Jahren im Vermietungsbereich haben – bis hin zur aktuellen Enteignungsdiskussion in Berlin für (derzeit) Großinvestoren.

Kalkulation einer Mietrendite

Eine Immobilie muß schon eine sehr ordentliche Ertragslage aufweisen, um da mithalten zu können. Hier kommen vorgenannte Kosten und Risiken hinzu. Mietausfall (und damit im Zusammenhang stehende Rechtskosten) können über ein breites Portfolio hinweg mit vielleicht 1-2% eingepreist werden. Künftig könnte das mehr werden – die Inflation reduziert die finanzielle Belastbarkeit der Bevölkerung, Creditreform rechnet im kommenden Jahr mit mehr Zahlungsausfällen bei privaten Haushalten. Der Instandhaltungsaufwand muß mit mindestens 1% angesetzt werden, die Verwaltungskosten ebenfalls. Eine (nicht risikolose) Rendite von 4% läßt sich also realistischerweise erreichen, wenn man 7-8% Bruttoertrag erzielt, an einem guten Standort. Schlechte Standorte rechnen sich anders, da hier zusätzlich demographische Aspekte über die Laufzeit einbezogen werden müssen.

Entwicklungspotential beider Varianten

Betrachtet man das Investment über einen langen Zeitraum, so ergibt die US-Staatsanleihe einen gleichbleibenden Ertrag über die gesamte Laufzeit, während sich eine Immobilie entwickeln läßt. Es ist daher rechnerisch zu rechtfertigen, nicht gleich zu Beginn 7-8% zu erzielen, sondern weniger, wenn sich das anschließend steigern läßt. Bei Immobilien bedeutet das, die Miete zu erhöhen.

Das wiederum wird zunehmend schwierig. Die Kappungsgrenze für Mieterhöhungen wurde von 30% in 2 Jahren auf 20% in 3 Jahren auf 15% gesenkt und die Politik diskutiert aktuell darüber, sie weiter zu senken oder gar auszusetzen. Zugleich wird über die Gestaltung von Mietspiegeln die zweite Kappungsgrenze des ortsüblichen Vergleichsmietenniveaus niedrig gehalten. Modernisierungsumlagen werden um alle möglichen Abzüge gekürzt und wurden von 14% auf 11% auf 8% auf maximal 2 bis 3 Euro pro 6 Jahre gesenkt, auch hier wird eine weitere Kürzung, Aussetzung oder Abschaffung gefordert. Die Mietpreisbremse erlaubt keine Sprünge bei Neuvermietung, um wenigstens dann einen Ausgleich zu schaffen. Schließlich ist der Kündigungsschutz inzwischen so stark, daß es ohnehin kaum mehr Neuvermietungen gibt. Die Möglichkeit, die Objektrendite – auch über längere Zeitfenster – zu erhöhen, ist durch diese Maßnahmen erheblich beschränkt. Sie könnte sogar sinken, etwa wegen der Belastung des Vermieters mit CO2-Steuern (seit 01.01.2023) oder ähnlichen Änderungen. Daß die Grundsteuern steigen werden und in der Politik gefordert wird, daß diese nicht mehr auf die Mieter umlegbar sein soll, ist da nur eins von mehreren Beispielen.

Wenn es durch Mietanpassungen im laufenden Bestand nicht geht, dann könnte zumindest ein guter Exit die Rentabilität noch gewährleisten, d.h. ein guter Verkaufspreis. Dieser hängt bei Vermietungsimmobilien an der Miethöhe (und dem Zinsniveau), entwickelt sich also auch nicht mehr positiv. Die Möglichkeit, die Häuser aufzuteilen und an Eigennutzer zu verkaufen, für die eine Renditekalkulation nicht relevant ist, wurde mit § 250 BauGB abgeschafft.

Wenn sich die Anfangsrendite eines Hauses über längere Zeiträume nicht sinnvoll steigern läßt, muß sie eben doch hinreichend hoch sein, damit das Investment Sinn ergibt.

Vergleich

Halten wir fest: 4% US-Staatsanleihen entsprechen vielleicht 7% Bruttoertrag aus einem Mehrfamilienhaus in guter Lage in Deutschland, solange man nicht enteignet wird und keine energetische Sanierung ansteht. Das ist ein Ankauf zum (100 / 7 =) 14,3fachen. Ein Haus mit 400.000 Euro Mietertrag darf dann inkl. Kaufnebenkosten 5,72 Mio Euro kosten, wenn es mehr ist sind US-Staatsanleihen rentabler.

Will/kann man nicht die Anschaffung komplett mit Eigenkapital bezahlen, sondern so weit als möglich finanzieren, muß man aktuell mit etwa 4% Bankzins rechnen. Nehmen wir eine übliche 80%-Finanzierung an, ist für eine 4%ige Rendite auf den Eigenkapitalanteil eine Gesamtrendite von 0,8% notwendig. Das gilt aber nur für die Vergleichbarkeit der Nettorenditen. Der 3-4%ige Mehraufwand für Instandhaltung, Mietausfall etc. plus die 4% Zinsen auf den Fremdkapitalanteil kommen oben drauf. Insgesamt erhöht sich der notwendige Ertrag damit geringfügig, auf vielleicht 8%. Das erlaubt einen Ankauf zum (100 / 8 =) 12,5fachen, im obigen Beispiel 5 Mio.

Steuern etc. habe ich hierbei nicht berücksichtigt, da es darauf ankommt, in welchen Strukturen die Anlage gehalten wird.

Was hat sich geändert?

Die Kalkulation ist deutlich anders als vor zwei Jahren, als US-Staatsanleihen überhaupt keinen oder nur einen sehr geringen Zins abwarfen. Man konnte den Ankauf einer Immobilie mit 1% oder weniger Hypothekenzins finanzieren. 1% Zins und 3% Bruttoertrag sind 4%, das ist ein Ankauf zum (100 / 4 =) 25fachen – im obigen Beispiel 10 Mio, mit dem Rest Entwicklungspotential, das Immobilien noch haben. US-Staatsanleihen ergaben hingegen keinen oder nahezu keinen Ertrag. Ein Investment in Immobilien war also im Vergleich sehr sinnvoll!

Fazit

Die Zahl der Transaktionen im Mehrfamilienhausbereich ist im Zuge der Zinsanstiege massiv zurück gegangen. Die Überbewertung wird von der Bundesbank mit 20-30% angesetzt. Ich meine, diese Schätzung resultiert eher aus einem statistischen Blick auf die Märkte, d.h. von oben, während der Investorenblick auf die Sinnhaftigkeit des einzelnen Investments, d.h. von unten, derzeit noch etwas kritischer ist – so jedenfalls meine Wahrnehmung aus meiner Berliner Inselperspektive.

Sofern Transaktionen aktuell stattfinden, wird in dem für mich sichtbaren Umfeld zum 18 bis 20fachen gehandelt. Das ist deutlich höher, also obige nüchterne Kalkulation nahelegt. An Hintergründen sehe ich den Bedarf einer Diversifizierung der Assetklassen, eine nicht mehr ganz unkritische Haltung gegenüber dem USD und der Stabilität künftiger Wechselkurse vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage und – im Einzelfall – ein in der konkreten Immobilie erkanntes besonderes Entwicklungspotential. Ein Selbstläufer ist der Verkauf eines Mehrfamilienhauses zu solchen Preisen aber jedenfalls derzeit nicht, wie mir etliche Makler berichten.

Wie geht es weiter?

Die FED hat gestern angekündigt, ihren Zinserhöhungskurs sogar schneller und weiter als bisher weiterzufahren. Bei 4-5% wird es also nicht bleiben. Auch die EZB avisiert im Vorfeld ihrer Zinssitzung kommende Woche weitere Erhöhungen. Für Immobilien bedeutet das, daß die Faktoren weiter sinken. Daß die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland sich umkehren, also das Aufteilungsverbot, die Mietpreisbremse und die Kappungsgrenzen bei Erhöhungen abgeschafft werden und die Pläne zu energetischen Sanierungen, Gasheizungsverbot und so weiter ersatzlos entfallen, ist ja eher nicht zu erwarten.